Laut Regenwarnung sollten wir zirka 2 Stunden noch Ruhe haben vor dem einsetzenden Regen. Nachdem wir heute eine eher kurze Etappe haben, könnten wir es bis in die Nähe von Esslingen schaffen.
Bei einer kleinen Weberei geht es vorbei und hurtig dahin. Der Akku sollte heute reichen (der vom Rad und meiner auch) und so ist er nahezu ständig zugeschalten. Der Weg führt heute wieder hügelauf- und hügelabwärts –
– immer wieder den Neckar kreuzend.
Wir kommen auch trocken nach Esslingen, wie erhofft. Es sind zwar dicke Wolken über uns, doch keine pieselt auf uns herab.
Übrigens Esslingen hat 40 Sitze im Gemeinderat, die von 10 Parteien/Listen besetzt sind (genauso wie in Stuttgart, nur sind es dort 60 Sitze). Wird auch nicht so einfach sein, da auf einen Konsens zu kommen.
Die Kreisstadt Esslingen liegt malerisch am Neckar. Heute ist Markttag neben der Kirche und wir schlendern ein wenig herum. Die Räder lassen wir abgesperrt zurück.
Weil eben gerade Markttag ist, werde ich euch ungefragt eine Sage servieren, die erklärt, warum die Esslinger auch heute noch „Zwieblinger“ genannt werden:
Eines Tages kam der Teufel zu Besuch nach Esslingen und freute sich darüber, dass die Bürger ihn ahnungslos grüßten. Als er auf den Marktplatz kam, wo gerade ein Wochenmarkt abgehalten wurde, staunte er über die feilgebotenen Waren. Der Teufel bat eine kluge Marktfrau einen der roten Äpfel kosten zu dürfen. Diese erkannte den Teufel jedoch an dem Pferdefuß, der aus der eleganten Hose hervorschaute und am Schwefelgeruch.
Die listige Marktfrau reichte ihm eine Zwiebel statt des erwarteten Apfels und der Teufel biss gierig hinein. Er schüttelte sich vor Abscheu und rief: „Das sollen eure Äpfel sein! Spott über euch Esslinger! Zwiebel sind es, scharfe Zwiebel. Und deshalb sollt ihr künftig nicht mehr Esslinger heißen, ihr stolzen Reichsstädter, sondern Zwiebel.“ Voll Zorn verließ er eilends die Stadt und hat sich fortan nicht mehr sehen lassen.
Bei einem Stand kaufen wir uns ein Fleischsemmerl (schaut aus wie Leberkäse, ist aber keiner). Das Foto, das ich von der besten Ehefrau von allen mache, wie sie ins Semmerl beißt, wird sofort zensuriert – weil die Haare nicht frisch gewaschen sind… Daher noch ein paar Stadtansichten:
Wir holen unsere Räder und fahren weiter in Richtung Stuttgart. Es ist nicht mehr weit und der prophezeite Regen bleibt auch aus.
Nachdem wir uns schon in einer Weingegend befinden, sollte ich heute vielleicht auch ein Glas kosten. Wir fahren entlang vom Neckar und kommen über etliche Baustellen ins Zentrum.
Stuttgart wurde um ca. 950 als herzogliches Gestüt gegründet. Der Name leitet sich vom mittelalterlichen Stuotgarten, was so viel wie Stutengarten heißt, ab.
Zu sehen gibt es eigentlich nicht sonderlich viel, weil die Stadt sich eher durch die Autoindustrie auszeichnet, als durch alte Stadtansichten. Porsche und Mercedes produzieren hier und haben selbstverständlich jeder ein eigenes Museum errichtet.
Macht nichts. Dafür erzähle ich euch die Sage vom Postmichel:
Im Jahr 1491 wurde auf der Esslinger Steige in Stuttgart der wohlhabende Esslinger Bürger Marchthaler erschlagen. Sein Tod blieb ungesühnt, denn vom Mörder fehlte jede Spur. Mehr als zwei Jahre später fand der Postreiter Michel auf seinem täglichen Ritt von Esslingen nach Stuttgart und wieder zurück, einen wertvollen Ring. Er wusste nicht, dass Jahre zuvor hier ein Mord begangen wurde. Um den Ring sicher nach Esslingen zu bringen, wo er ihn als Fundstück abgeben wollte, steckte der Postreiter ihn sich an den Finger. Bei seiner Rast in einem Wirtshaus fiel der Ring den Trinkkumpanen auf, die sich erinnerten, dass es sich um den Ring des ermordeten Marchthaler handelte. Das bestätigte kurz darauf auch der Neffe des Ermordeten, Matthäus von Welz, der mittlerweile das Erbe seines reichen Onkels angetreten hatte.
Dem Postmichel wurde der Mord an Marchthaler vorgeworfen. Trotz seiner Unschuldsbeteuerungen wurde er so lange im Wolfstor eingesperrt und gefoltert, bis er schließlich den Mord gestand und zum Tode durch das Schwert verurteilt wurde. Sein letzter Wunsch wurde ihm erfüllt: er durfte auf seinem Ross zum Richtplatz reiten und dabei noch einmal sein Posthorn blasen. Auf dem Richtplatz aber beteuerte der Postmichel noch einmal seine Unschuld und kündigte an, er werde künftig alljährlich in der Michaelisnacht vor dem Haus des Scharfrichters in Stuttgart und auch in Esslingen sein Posthorn blasen, so lange, bis der wahre Mörder Marchthalers gefunden und gerichtet sei.
Pünktlich an Michaelis (29. September) des darauf folgenden Jahres erwachte der Henker in Stuttgart durch den schaurigen Ton eines Posthorns. Er sah einen gespenstischen Reiter auf einem Schimmel Richtung Esslingen traben. Auch dort hörte man den Postmichel blasen und sah man eine schemenhafte Gestalt hoch zu Ross, den Kopf unter dem Arm, das Horn in der Hand. Matthäus von Welz flüchtete erschrocken aus der Stadt, um dem Spuk zu entgehen. In den folgenden Jahren wiederholte sich dieses Ritual an Michaelis und jährlich wuchs die Sorge einen Unschuldigen gerichtet zu haben.
Mehr als ein halbes Jahrhundert später kam ein alter Mann nach Esslingen, auf der Suche nach einem Platz im Spital. Als er in der Michaelisnacht dem Geisterreiter begegnete, gab er sich als Matthäus von Welz, Marchthalers Neffe, zu erkennen und gestand den Mord an seinem Onkel aus Habsucht begangen zu haben. Er habe die Tat zeitlebens gebüßt, da ihn der Klang des Horns überall hin verfolgte. Da das Geständnis ihn alle Kraft gekostet hatte tat er einen letzten Seufzer und starb. Der unschuldig gefolterte und hingerichtete Postmichel aber hatte fortan seine Ruhe.
Das alte Schloss wird heute als Landesmuseum verwendet.
Die Stiftskirche ist eine evangelische Kirche und sperrt bereits um 16.30.
Der Denkpartner von Hans-Jörg Limbach ist lediglich mit einer Skulptur in Stuttgart vertreten. Dafür jedoch mit einer, die zu einem der Wahrzeichen der Stadt geworden ist. Ungefähr 800 kg wiegt der Bronze-Partner.
Zum Abschluss für heute noch der Hans im Glück.
Morgen geht´s nach Karlsruhe, wieder eine längere Etappe mit der Hoffnung, dass ab jetzt das Wetter ein wenig besser wird.
Die Fotozensur von Elfi kann ich voll und ganz verstehen. 😀 Der „Denkpartner“ sieht interessant aus.
Wie viele Kilometer radelt ihr eigentlich insgesamt? Wie lange ist die Tour?
Ich mache in der Woche ab dem 23.9. eine Busreise nach Dresden. Ich war zwar schon 2x dort, aber das ist ewig her.
Ich wünsche Euch gutes Wetter.
Bei uns ist es schlimm und es wird in den nächsten Stunden auch in Wien Hochwasser erwartet.
LG Elfi