Beim Fahrradsatteln habe heute ich zur Abwechslung etwas gesucht, meinen Schlüsselbund den ich normalerweise in das Umhänge-Geldbörsel am Hals gebe, um ihn ja nicht zu verlieren. Ist er aber nicht. Also alle Taschen durchkramen, danach frustriert wieder ins Zimmer und zurück zu den Fahrrädern. Nichts. Dort winkt schon eine um einen Kopf noch größer als gestern gewordene beste Ehefrau von allen, mit meinen Schlüsseln, die ich in einem der unteren Hosensäcke verstaut hatte. Dort hatte ich nicht gesucht, da ich selten Hosen mit so vielen Taschen an habe. An der Portion Häme, die ich abbekomme, werde ich noch eine Zeit lang zu kauen haben.

Heute bekommen wir wieder Frühstück in einer Bäckerei, dann geht’s ab bei 6 Grad, in der Radlermontur, also kurzer Hose, Leiberl und einer Regenjacke darüber, denn es soll auch heute wieder Regen geben.

Ich fühle mich bald wie ein Storch mit steifen Beinen. Den klappernden Schnabel würde ich gerne unter einen der Fittiche verstecken. Gott sei Dank regnet es noch nicht und der Wind ist auch weitaus sittsamer als gestern.

Um 11.00 gingen plötzlich unsere Handys mit einem ohrenbetäubenden Alarm los. Die Deutschen schickten einen Probekatastrophenalarm ab, so wie er auch in Österreich geplant ist. Über die Handymasten werden alle Handys im jeweiligen Katastrophengebiet angesprochen und informieren über eventuelle Unwetter im Anzug, Feuersbrünste oder Gefährlicheres wie Reaktorunfälle, etc.

Mittags machen wir einen Stopp in Günzburg um einen Tee und eine heiße Suppe zu konsumieren.

Danach geht`s weiter in Richtung Ulm und kommen auch bald an der Donau an, wo wir den Damm entlang fahren, bis wir die Stadt erreichen. Ulm ist die lebenswerteste Stadt Deutschlands (nicht zu vergleichen mit der lebenswertersten Stadt der Welt: Wien).

Wir wohnen im Ibis, duschen schnell und begeben uns in die Stadt. Der bekanntesten Sage von Ulm begegnen wir an jeder zweiten Ecke:

Es war einmal in der Reichsstadt Ulm eine stolze Bürgerschaft, die wollte eine Kirche bauen. Schön und hoch sollte sie werden. Um das Dach zu stützen, benötigte der Baumeister lange Holzbalken

Er sandte seine Gehilfen aus der Stadt, um kräftiges Holz herbeizuholen. Und so machten sich diese auf den Weg.

Frohen Mutes schafften die Gehilfen Baumstämme herbei und stapelten sie quer auf einen Wagen. Wie sie damit nun die Stadtmauer passieren wollten, zeigte sich, dass das Tor in der Mauer viel zu schmal war. Die Balken standen auf beiden Seiten über. Die Gehilfen mühten sich und schoben den Wagen hin und her, doch es war vergeblich: Wenn die Balken links bündig zum Tor waren, standen sie rechts umso mehr über, und umgekehrt.

Die ganze Stadt geriet darüber in Aufruhr. Die Bürgerinnen und Bürger, die Stadträte und sogar der Bürgermeister – der eigentlich auf alles eine Antwort wusste – suchten nach einer Lösung. Doch etwas Ähnliches war noch nie jemandem widerfahren. Selbst in den schlauen Büchern fand sich kein Rat. Es schien nur eine Lösung zu geben: Das Tor abzureißen.

Als die Verwirrung gerade am größten war, flog ein kleiner Spatz über die Menge hinweg. Im Schnabel trug er einen golden schimmernden Getreidehalm. Mit diesem flatterte er an den Torbogen heran. Dort bot ein schmaler Spalt zwischen den Mauersteinen Platz für ein Nest. Um den Halm dort hineinzuschieben, drehte der findige Spatz ihn der Länge nach und schob ihn hinein.

Da ging den Ulmern ein Licht auf.

In Windeseile ergriffen sie die Holzbalken und legten sie diesmal nicht quer, sondern längs auf den Wagen. Dann wurde es still. Zögerlich setzte sich das Gefährt in Bewegung. Und siehe da: Elle um Elle, Stück um Stück rollte der Wagen geschmeidig durch das Tor hindurch.


Da geriet die Menge ins Jubeln. Die Menschen applaudierten dem Spatzen und schlossen ihn tief in ihre Herzen. Zum Dank errichtete man ihm später ein Denkmal auf dem Dach des Ulmer Münsters: die Figur eines Spatzen mit Halm im Schnabel. Und so wurde der Spatz zum inoffiziellen, dafür umso mehr geliebten Wahrzeichen der Stadt Ulm.

Bleiben wir gleich beim Stichwort Münster. Außen wird er derzeit renoviert und ist somit kein schöner Anblick, aber innen gibt es viel mehr her:

Zu viel versprochen? Wir gehen wieder raus auf den Münsterplatz. Bei den modernen Bauten, die nicht wirklich dorthin passen, fällt ein Glockenspiel positiv auf.

Wir besuchen die Fischersiedlung mit ihren teils sehr beeindruckenden Häusern.

Auch eine Kuriosität gibt es zu bestaunen. 1997 wurde das schiefste Hotel der Welt ins Guiness Buch der Rekorde aufgenommen:

Ich möchte euch noch eine Redewendung nahebringen, die da lautet: „Wie der Schneider von Ulm sein.“

Die Redewendung geht zurück auf Albrecht Ludwig Berblinger, der nicht nur ein talentierter Schneider war, sondern auch begeisterter Erfinder.

So baute er im 19. Jahrhundert eine Maschine, mit der er sich den Traum vom Fliegen verwirklichen wollte. Die Geschichte über seine Erfindung machte im ganzen Land die Runde und so stattete im Mai 1811 sogar der König persönlich der Stadt Ulm einen Besuch ab, um sich vom dem sagenumwobenen Flugapparat Berblingers zu überzeugen.

Der Druck auf Berblinger wuchs und so unternahm er mit seinem selbst gebauten Flugapparat im Mai 1811 vor den Augen des Königs Friedrich von Württemberg einen spektakulären Flugversuch von der Adlerbastei in Ulm. Der Versuch missglückte jedoch und er ging unsanft in der Donau baden.

Für seine Zeitgenossen war Albrecht Ludwig Berblinger fortan eine Witzfigur und er wurde für seinen missglückten Flugversuch aufs heftigste lächerlich gemacht und sprichwörtlich als „Schneider von Ulm“ zu einem Begriff für Leute, die den Mund zu voll nehmen und scheitern.

Die Reaktion seiner Mitmenschen war jedoch äußerst ungerecht. Denn sein Flugapparat selbst war gar nicht Schuld an der Misere, wie spätere Versuche zeigten, sondern eher die schlechten Windverhältnisse an diesem Tag.

Außerdem war Berblinger tatsächlich ein begabter Erfinder, so erfand er zum Beispiel eine funktionstüchtige Beinprothese für Menschen. Seine Konstruktion der künstlichen Fußmaschine gilt noch heute als Vorbild.

Unglücklich und verarmt starb er im Alter von 58 Jahren schließlich in einem Hospital.

Metzger und Bauer verhandeln über den Schweinepreis

Die morgige Etappe wird uns nach Reutlingen führen. Wie jeden Tag hoffen wir auf unser Glück, wie wir es auch heute hatten. Kein Tropfen Regen bis zur Ankunft, aber dann ging`s los. Also dann: bis morgen.

1 Kommentar

  1. Jetzt schreibe ich das schon wieder das 2. Mal, weil es wieder weg war.

    Walter, heute lache ich ausnahmsweise mal über Dich. (Schlüssel).
    Ulm ist eine nette Stadt, aber das schiefe Haus ist gewöhnungsbedürftig.
    Die „Hellsten“ waren die Ulmer aber auch nicht. (Stadttor, Spatz).

    Kennst Du die Geschichte der „Ulmer Schachteln“. Google mal, die wissen das alles.
    Ich habe so ein Schiff mal am Handeslkai gesehen, als die Ulmer gerade in Wien waren. Vor mindestens 10 Jahren. Ob diese Tradition noch aufrecht ist, kann ich nicht sagen.
    LG Elfi

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