Los geht´s. Wir fahren mit dem Bus zur Grenze nach Tadschikistan (der Name leitet sich vom Wort „Tadschik“ was soviel wie Krone heißt und „Stan“, was soviel wie Land heißt, ab). Als ehemaligem Raucher geistert mir immer wieder der Spruch im Kopf herum: „In Tadschikistan, da tschick is dann.“

Wir kommen an der Grenze an und müssen den Bus zurück lassen, zu Fuß samt Gepäck über die Grenze gehen. Auf der anderen Seite sollen zwei Mercedes-Sprinter auf uns warten. Auf usbekischer Seite steht ein Zaun mit Stacheldraht. Gepäck wird gescannt, der Pass geprüft. Ab ins Niemandsland, Gepäckscan, Passprüfung, 100 m weiter, wieder Passprüfung bei einer Foodcontrol-Stelle ohne sonstiger Kontrolle, weiter zum hoffentlich letzten Gepäckscan, raus zu einem Zaun, dort der letzte Passcheck und wir sind auf tadschikischer Seite angekommen. Blick zurück: Zwischen zwei Stacheldrahtzäunen verläuft eine Fahrspur für Militärfahrzeuge die Grenze entlang. Man legt offensichtlich keinen großen Wert auf gute Nachbarschaft. Ich mache natürlich keine Fotos bei der Grenze, denn sonst bekäme ich wahrscheinlich einen mehrwöchigen Gratisaufenthalt im Land.

Die Busse sind da und wir fahren damit zum Hotel nach Pandschakent.

Die Gegend schaut gleich anders aus, als in Usbekistan. Neben unserem Hotel steht ein typischer Bau für die Kleinstadt.

Tadschikistan, das früher Ost-Buchara hieß, ist ein sehr gebirgiges Land. 90% sind Gebirge mit zumeist Gipfeln zwischen 4.000 und 5.000 m, wobei auch einige über 7.000 m hinausragen und dementsprechend ein Paradies für Bergsteiger und Alpinisten sind. Lediglich 6% des Landes können landwirtschaftlich genutzt werden.

Ob Tadschikistan eine Diktatur ist? Aber nicht doch, es ist eine Präsidialrepublik. 😉

Früher wurde Zentralasien von verschiedenen Khans beherrscht. Diese verwalteten ihre Gebiete, indem sie ihre Verwandtschaft, auf die sie hofften, sich verlassen zu können, einsetzten. Diese Handlungsmuster, die über Jahrhunderte gelebt wurden, sind nicht so leicht aus den Köpfen der Menschen zu vertreiben. Viele Bürger erwarten sich daher auch nicht, dass ein Parlament ein Ort der politischen Auseinandersetzung ist. Sie treffen ihre Wahlentscheidung aufgrund von Verwandtschaftsverhältnissen. Die Familienoberhäupter sind Vorbilder und Führungsfiguren.

Auch während der 70 Jahre Sowjetherrschaft mit oftmals drastischen Umerziehungsmaßnahmen, blieben die Verhaltensmuster der Menschen gleich. 1991 kam die Unabhängigkeit. Der Westen förderte mit viel Geld, die Einführung von demokratischen Strukturen. Verfassungen wurden verabschiedet, doch die Menschen lebten weiter in ihren Traditionen und Werten.

Menschen, die mit irgendwelchen staatlichen Entscheidungen nicht einverstanden sind, würden in Europa Gleichgesinnte suchen, demonstrieren oder gegen Entscheide rechtliche Mittel einsetzen. Nicht so in Zentralasien: Man schaut, wo ein Verwandter in einer Verwaltungsstelle sitzt, der helfen kann und gemäß der Familientradition, auch muss. Manchmal hilft es auch, wenn man den Verwandten mit Geldzuwendungen von seinem Standpunkt überzeugt und der dann eine Ausnahmegenehmigung oder dergleichen erteilt.

Das funktioniert natürlich nur so lange, wie der Verwandte seinen Job behält. Der nächste trifft vielleicht wieder andere Entscheidungen. Er hat schließlich auch andere Verwandte. Und das geht bis zum (selbstverständlich) gewählten Staatsoberhaupt. Übertreibt es der aber mit der Vetternwirtschaft, dann wird er aus dem Amt gejagt und ein anderer gewählt. Darüber hinaus hat man es auf 30 Premierminister innerhalb der ersten 25 Jahre gebracht.

Wir verfrachten uns wieder in den Bus, nachdem wir beim Hotel nur unser Gepäck abgegeben haben. Die Fahrt geht über großteils Schotterpisten bergauf zu den sieben Seen, „Haft Kul“ genannt. Die Geschichte dazu lautet folgendermaßen.

Vor langer Zeit lebte ein stolzer Bauer, der sieben wunderschöne Töchter hatte. Eines Tages hielt ein Bursche aus einem fernen Dorf um die Hand einer der Töchter beim Vater an. Dieser verweigerte sie ihm jedoch, da er dem Vater zu derb und auch hässlich erschien. Der Fremde war jedoch ein Zauberer und verwandelte aus Rache für die Abfuhr, die Töchter in die sieben Seen, die wir heute sehen werden. 

Weniger an die Zauberei glaubende Menschen erklären, dass die Seen durch Erdbeben und Hangrutschungen entstanden sind.

Ziegen kann man auch auf Autodachgalerien transportieren.

Wir fahren durch das immer enger und kurviger werdende Tal in teils engen Kurven bergan.

Die Schotterpiste ist zumeist für Gegenverkehr zu eng und eines der Fahrzeuge muss zurück schieben. Das ist manchmal eine Millimeterarbeit und auch riskant, da es oftmals neben der Piste -zig Meter steil bergab geht.

Immer wieder bleiben wir stehen und schauen auf die beeindruckende Landschaft mit den schneebedeckten 4 und 5.000ern in der Ferne.

Endlich kommen wir beim fünften der sieben Seen an.

Dort hat man für uns ein Picknick am Hofe eines Bauern gebucht. Das Essen ist gut, die Leute freundlich.

Es wird Zeit uns zu verabschieden und den Weg hinunter ins Tal anzutreten. Während der Fahrt werden wir Halbwissenden über den Bürgerkrieg aufgeklärt, der von 1991 und 1997 zwischen der Mehrheitsbevölkerung und einer radikalen Moslemminderheit, die gerüchteweise von Saudi Arabien oder/und den Iranern unterstützt wurden. Die Kämpfe sollen äußerst brutal geführt worden sein und die ISIS-Anhänger setzten sogar Kinderkämpfer ein. Viele der ohnehin schon armen Bevölkerung wurden getötet oder verhungerten, weil es fast keine Lebensmittel zu kaufen gab. Der Krieg endete mit einem Sieg der demokratisch gesinnten Mehrheit.

Lediglich 2018 kam es zu einem erneuten Attentat. Eine Schweizer Fahrradtouristengruppe wurde von Jeeps überholt und gestellt. Ohne jegliche Begründung schlitzten sie allen die Kehle auf. Studiosus stellte daraufhin ihr Tadschickistan-Programm ein und nahm es erst heuer wieder auf. Beruhigend.

Wir stoppen wieder um uns die Beine zu vertreten und gehen ein Stück zu Fuß weiter. Die Bewohner sind durchwegs freundlich, lachen und führen ein paar Gespräche mit uns.

Wir kommen auch bei einer „Krankenstation“ vorbei. Hier amtiert eine Art Sanitäter, der die meisten kleinen Fälle erledigt. Einmal pro Woche kommt ein Arzt auf Stippvisite vorbei. Sollte jemand beispielsweise ins Spital müssen, müssen zuerst die Kosten für die Operation hinterlegt werden. Gratis gibt’s nichts. Da muss dann der gesamte Familienclan herhalten. Auch die Betreuung im Krankenhaus (Bettwäschetausch, Verpflegung, sonstiges) muss von der Familie erledigt werden. In Samarkand haben wir gehört, dass es dort die Möglichkeit gibt, wo die Familienangehörigen, die die Betreuung übernehmen, auf einem eigenen Platz neben dem Spital, ein Zelt aufschlagen können, für die Übernachtung.

Wir sind wieder zurück beim Hotel, duschen und fahren Abendessen zu einem Restaurant am naheliegenden Fluss. Morgen ist Abfahrt um 8.30.

1 Kommentar

  1. Innerhalb von 25 Jahren 30 Premieminister. Waren wir nicht vor allzu langer Zeit mal mit den Bundeskanzlern auf dem besten Weg dahin. 😂

    Due Menschen sind wohl oder übel zufrieden. Sie kennen ja nichts anderes.
    Aber man sollte so manche Leute von Österreich dorthin schicken, damit sie msl sehen, wie das Gesundheitssystem dort funktioniert. Dann wären sie vielleicht mit dem Unsrigen wieder mehr zufrieden.

    Tolle Landschaften.
    Danke f.d. super Fotos.

    LG Elfi M.

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