Es geht nicht, dass wir abfahren, ohne einen kleinen Rückblick auf das gestrige nächtliche Buchara.
Diesmal hat es in der Nacht nicht geregnet. Die kühle Zeit geht mit dem heutigen Tag auch zu Ende (22 Grad). Ab Morgen bekommen wir wieder 26 Grad und mehr. Die erste Station ist ein Familien-Töpfereibetrieb. Wir bekommen einen kleinen Einblick in die Herstellung.
Ich muss die beste Ehefrau von allen aus dem Laden ziehen, damit wir weiter fahren können, denn es gäbe hier jede Menge zu kaufen.
Es geht weiter auf der Seidenstraße, wieder über eine verhinderte Autobahn durch die Wüstensteppe. Die Seidenstraße wird heute auch als „Heroin Highway“ bezeichnet, denn sie dient auch zum Schmuggel von Opium und Heroin von Afghanistan nach Europa, China und Russland sowie dem Transport des zur Herstellung erforderlichen Essigsäurehybrid aus Europa zurück nach Afghanistan. Durch Tadschikistan werden jährlich ca. 700 Tonnen Heroin geschmuggelt und nur 5% beschlagnahmt.
Die auf der Straße befindlichen Container-LKW der Schmuggler waren bis September 2021 (Abzug der NATO aus Afghanistan) nicht von denen der NATO-Schutztruppen zu unterscheiden, weil die NATO-Lastwagen zum Schutz der sich unter Umständen in ihnen befindlichen militärischen Güter unauffällig getarnt waren. Bleibt zu hoffen, dass sich die Beschlagnahmequote jetzt deutlich erhöht, da die NATO-Transporte wegfallen.
Wir kommen bei einer alten Karawanserei an. Hinter dem wiedererrichteten Tor befinden sich nur Ausgrabungen und Ruinen. Auf der anderen Straßenseite gibt es noch ein Gebäude, wo vom durchfließenden Wasser, der Brunnen der Karawanserei gespeist wurde.
Heute ist der Grundwasserfluss fast nicht existent, nur mehr wenige Wasserlachen befinden sich am Boden.
Die Karawansereien auf der Seidenstraße dienten nicht nur zur Rast der Karawanen, sondern sie konnten auch die Dromedare wechseln, so wie bei unseren Poststationen früher, die Pferde. Somit konnte die Karawane mit neuen, frischen Dromedaren am nächsten Tag ohne Unterbrechung weiter ziehen. Bei uns waren diese Postkutschenstationen so alle 40 – 50 Kilometer auf der Wegstrecke verteilt. Bei den Dromedaren waren die Entfernungen geringer: 25 – 30 km.
Die Mongolen führten eine Neuerung für ihre Händler, die auf der Seidenstraße entlang zogen, ein. Sie gaben den Händlern eine Messingplakette, die Pago genannt und um den Hals gehängt wurde, als Berechtigungsabzeichen mit. Damit mussten die Händler entlang des Weges unterstützt und verpflegt werden.
Vielleicht leitet sich unser heutiges Wort Pass von diesem ähnlich klingenden Berechtigungsausweis ab. Zumindest durften die damaligen Händler damit ungehindert von einem Khan-Gebiet ins nächste reisen.
Übrigens haben die heutigen Pässe der Usbeken eine Besonderheit. Neben dem Namen und dem Geburtsdatum steht auch die Nationalität/Ethnie der Abstammung drinnen, also Perser, Russe, Tadschike, auch wenn man schon in der zweiten oder dritten Generation in Usbekistan beheimatet ist.
Wir fahren bis Navoi, einer kleinen Industriestadt, die von den Russen ausgebaut wurde, weil es in der Nähe ein großes Gasvorkommen gibt, das es auszubeuten gilt. Außerdem wurde mit dem Bau eines Atomkraftwerks russischer Bauart begonnen, den man aber mit Beginn des Ukrainekrieges unterbrochen hatte. Die Geldmittel wurden anderweitig gebraucht. Wir biegen in Richtung Norden ab und nehmen eine junge Englischlehrerin auf, die als Co-Guide fungieren wird. Sie verdient als Lehrerin zirka 500 Dollar und weil sie in einer sehr stark umweltbelasteten Stadt unterrichtet, bekommt sie nochmals 25% dazu. Mit Privatunterricht und dem Versuch Fremdenführerin zu werden, versucht sie ihr Einkommen zu verbessern.
Wir steigen in kleinere Fahrzeuge um und fahren zur Sarmysch-Schlucht welche für ihre Petrogryphen bekannt ist.
Nicht immer geht es sich aus, dass wir mit dem Auto weiter kommen und müssen aussteigen. Nach einer guten halben Stunde sind wir angekommen. Diese Petroglyphen sind Felszeichnungen, beginnend mit der frühen Steinzeit und bis zur Neuzeit (Habe ein Werk eines Russen aus dem Jahr 2013 entdeckt).
Diese über 4.000 Felszeichnungen sollen ins Weltkulturerbe aufgenommen werden. Abbildungen aus dem täglichen Leben, einige abstrakte Formen, zweiköpfige menschliche Figuren in Raumanzügen und vor allem viele Tierzeichnungen finden sich an den dunkelgrauen Schiefersteinen.
Irgendwo sollen auch Kamele mit drei Höckern abgebildet sein, die es wirklich geben soll. Nur sind sie sehr, sehr selten, sodass sie kaum jemand zu Gesicht bekommt. Aber das ist so wie mit den Einhörnern, die auch schon einige gesehen haben wollen oder dem Yeti, der von Reinhold Messner und einigen anderen gesichtet wurde.
Walter Moers (dem Autor vom Käpt´n Blaubär und dem kleinen Arschloch) hat eine Lösung parat: Die Tiere heißen Kamedare, sind eine Kreuzung aus Kamel und Dromedar, 3,30 m lang und 2,20 m hoch. Sie kommen in Zamonien vor…
Weil wir schon beim Thema Kamelarten sind: Was ist süß und geht durch die Wüste? – Ein Karamel.
Wieder rein in unsere Gefährte und ab zum Picknick bei Beduinen, die sich auch einen kleinen Zuverdienst sichern wollen. Sie kochen auf Teufel komm raus auf: Fleischspieße, Gemüsespieße, jede Menge Salate, Brot, Süßigkeiten und der Vodka durfte auch nicht fehlen. Wir schaffen nicht annähernd die Hälfte von den Speisen zu verputzen. Der Vodka wurde komischerweise zur Gänze vernichtet. Wir verabschieden uns, wechseln kurz vor Navoi nochmals den Bus und fahren weiter nach Samarkand einer halben Million Einwohner zählenden Stadt, die 750 v. Chr. gegründet wurde. Die Innenstadt steht, wie so vieles an der Seidenstraße, unter UNESCO Welterbestatus.
In der Vorstadt sehen wir viele 5 – 7 stöckige Wohnbauten, die von chinesischen Wanderarbeitern errichtet wurden. Wie ihr wisst, versucht China entlang der Seidenstraße die Infrastruktur aufzubauen und im Gegenzug Bodenschätze gratis abzubauen. Damit kommen sie den Russen gehörig ins Gehege. Die errichteten Bauten, die ohnehin nur auf eine Lebensdauer von 20 Jahren ausgerichtet sind, stehen größtenteils leer, weil sie sich wenige leisten können und andererseits qualitativ minderwertig von den Landarbeitern errichtet wurden, die man aus China loswerden wollte, weil auch dort der Bauboom eingebrochen ist. Die Landarbeiter haben in der Regel keine handwerkliche Ausbildung und bauen dementsprechend.
Kurz vor unserem Hotel queren wir verwunderlicherweise noch Straßenbahngleise, die man hier nicht vermuten würde. Doch bereits in den 1920er Jahren fuhr hier eine Dampftramway die später durch eine elektrische ersetzt und bald einmal still gelegt wurde. Seit 2017 fährt die jetzige wieder, den Russen sei Dank.
Apropos Dank: Danke für eure nette Begleitung auf unserer Reise. Liebe Grüße und morgen geht´s weiter.
Märchenerzähler gibt es offenbar überall. Soviel meinerseits zu den „Kamedaren“.
Wieder sehr Interessantes erfahren durch Dich / Euch.
Freu mich immer auf Neuigkeiten.
LG Elfi M.
Lieber Walter,
was für eine grossartige Reise. Die Berichte und Bilder sind so beeindruckend, dass wir gleich nachkommen möchten. Die Reisebeschreibung schlägt alle Werbeprospekte und macht neugierig, wie es weitergeht. Vor allem auch die Vergnüglichkeit, mit der sie verfasst sind.
Falls wir die Reise nachmachen, wird uns das Gewitter, das nur alle drei Generationen vorkommt, fehlen. 😊
Noch schöne Reise Euch beiden!!!
Liebe Grüsse
Rosemarie