Mit dem Samaniden-Mausoleum starten wir unseren heutigen Tag. Vom gestrigen Gewitter sind in der Stadt nur mehr ein paar Lachen übrig geblieben. Wir werden schon in der Lobby vorgewarnt, dass einige Straßen heute gesperrt sein könnten, da der Ungarische Ministerpräsident Orban auf Staatsbesuch sei. Überall gibt es Polizeiaufgebot, wir bewegen uns fast im Spalier durch die Stadt. Verwunderlich ist nur, dass neben der Fahnen von Usbekistan die Fahnen von Malaysia gehisst sind.
Wir kommen trotzdem ohne Verzögerung zum Samaniden-Mausoleum. Es ist das älteste erhaltene Bauwerk von ganz Zentralasien und stammt aus dem 10. Jahrhundert und ist ein schön verzierter Bau. Das ist interessant, weil die islamische Weltanschauung die architektonische Verzierung von Gräbern verbietet. Man berief sich jedoch darauf, dass das eigentliche Grab tief unter dem Mausoleum ist und daher schmucklos wie im Koran geboten. Der Bau soll nur eine Art Gedenkstein sein. Das Mausoleum stand früher im Zentrum eines Friedhofs und versank im Laufe der Zeit unter Sandschichten. Sogar Dschingis Khan, der jedes Gebäude in der Stadt niederreißen ließ, verschonte diesen Bau, weil er ihm gefiel.
Weiter geht’s zum Labi Hauz Platz, was wörtlich übersetzt soviel wie „beim Wasserreservoir“ heißt. Zwei Medresen und der Chanaka Deren (das ist ein Sufi Orden) sowie eine Handelsstraße grenzen den Platz ein. Jahrhundertalte Maulbeerbäume finden sich noch im kleinen Park.
Die Festung Ark ist unser nächstes Ziel. Sie stammt aus dem 4. Jahrhundert, doch es ist nicht mehr viel übrig außer dem mächtigen Stadttor und teilweise der Burgmauer, denn 1920 wurde die Festung von der Roten Armee erobert und viele Holzhäuser verbrannten.
Und dann sehen wir sie die dicken Mercedes und letztendlich dem Ministerpräsidenten von Malaysia inmitten seiner Bodyguards und seiner Delegation. Dass der Orban hier seinen Besuch abhalten soll, ist eine reine Fehlinformation gewesen, der übrigens auch die Polizisten aufgesessen sind, denn man hörte von ihnen öfters den Namen Orban.
Wir begeben uns in den Thronsaal, einem offenen Geviert, in dem der Emir auf seinem Thron saß und Audienzen abhielt. Lediglich einmal im Monat war es ihm verboten, gegenüber den Bittstellern negative Bescheide zu geben. Aber was machte der gewiefte Emir? Er antwortete wie ein echter Österreicher: „Schauen wir mal, dann sehen wir schon.“ Der Bittsteller ging, und am nächsten Tag galt die Regel mit den negativen Bescheiden nicht mehr…
Heute nehmen den Platz einige Kitschhandwerker ein.
Auf der Burg selbst sind nur mehr Ausgrabungsstellen zu finden und ein Gehweg zu einem Aussichtspunkt über die Stadt.
Ja, das Zinden, das Gefängnis wurde auch noch rekonstruiert und die Bolo Hovuz Moschee.
Wir begeben uns wieder von der Zitadelle runter in die Stadt. Und weil wir heute in Buchara sind, noch eine kurze Erzählung. Wer kennt nicht die Geschichten von Nasreddin Hoca? Er stammte aus Anatolien, lebte im 13. Jahrhundert und ist aber in der gesamten islamischen Welt und darüber hinaus ein Begriff.
Eines Tages beschloss der Emir, alle Menschen in Buchara zu zwingen, nur noch die Wahrheit zu sagen. Es wurde vor dem Stadttor ein Rad aufgestellt. Alle Menschen, die in die Stadt wollten, wurden durch die Wachen befragt. Sagte jemand dabei die Wahrheit, wurde er durchgelassen, sagte er die Unwahrheit, wurde er am Rad sofort gehängt.
Es hatte sich bereits eine große Menschenmenge vor dem Tor versammelt. Niemand traute sich in die Nähe der Wachen zu kommen. Da kam Nasreddin Hoca, ging schnurstracks zum Wachkommandanten, der ihn auch sogleich befragte:
„Warum gehen sie in die Stadt?“
„Um gehängt zu werden.“
„Du lügst!“
„Dann hängen sie mich?“
„Wenn wir dich hängen, dann sind deine Worte wahr“, meinte der Kommandant nachdenklich.
„Das ist es ja gerade“, lächelte Nasreddin. „Es kommt auf den Standpunkt an.“
Wir kommen zum Minarett der Moschee Kaljan. Dieses Minarett war jedoch nicht nur für das Rufen zum Gebet da, sondern auch des Nachts und bei Sandstürmen, da wurde oben in einer großen Laterne ein Leuchtfeuer angezündet, sodass die Karawanen noch einen leuchtenden Anhaltspunkt hatten, auf dem sie zuhalten konnten, wenn sie aus der Wüste kamen. Und er war das eine oder andere Mal schon eine Richtstätte für ein ausgesprochenes Todesurteil. Der Delinquent wurde auf den Turm gezerrt und durch eine der Luken hinabgestoßen. Das war nicht oft der Fall, trotzdem bleibt er bei der Bevölkerung der Todesturm.
Die Moschee Kaljan und die Medrese Mir-i Arab stehen sich auf einem großen Platz gegenüber. Das nennt man Kalau Prinzip und kommt in Zentralasien immer wieder vor. Vergleichbar mit dem Kunst- und dem Naturhistorischem Museum in Wien, die stehen sich auch mit der Front gegenüber. (Übrigens, gibt es noch jemanden, der die beiden Wiener Museen nicht auseinanderhalten kann? Ja? Das Kunsthistorische Museum liegt näher zur Oper, also dem Ort der Kunst. Das Naturhistorische liegt näher zum Parlament, wo die meisten Eseleien und Schweinereien passieren…).
Obige Medrese ist die einzige islamische theologische Einrichtung Zentralasiens, die seit ihrer Gründung 1535/36 ununterbrochen in Betrieb ist, also auch während der Sowjetzeit. Das Geld für die Errichtung des Bauwerks wurde angeblich durch den Verkauf von 2.000 schiitischen Sklaven eingenommen.
Auch die Moschee Kaljan wurde im 15. / 16. Jahrhundert erbaut anstelle einer Freitagsmoschee aus dem 12. Jahrhundert. Sie ist die Hauptmoschee von Buchara und es passen gut und gern 10.000 Gläubige in den enormen Innenhof samt den Arkaden herum.
Heute Abend geht es zu einer privaten Familie zum Abendessen. Davor darf die beste Ehefrau von allen noch ihren Schönheitsschlaf machen und ich kann meinen Reisebericht schreiben.