Zuerst noch einen kleinen Nachtrag von gestern Nacht. Am Abend hat es wie den Tag zuvor schon etwas geregnet. In der Nacht ging dann ein höllisches Gewitter ab.
Wir haben es aber davor bis ins Hotel geschafft. Es sei außergewöhnlich für Chiwa, ein solches Unwetter, wurde uns berichtet. Es hätte seit drei Generationen kein solches Gewitter gegeben.
Nach dem Frühstück geht es um 9 Uhr los mit einem relativ neuem Bus. Wir fahren parallel zur Turkmenischen Grenze Richtung Osten. Bei der nächsten Ortschaft gibt es einen gröberen Stau bei einer Straßenkreuzung. Der Ort liegt rechts und links unter dem Straßenniveau, und weil es in der Nacht geschüttet hat, ist alles neben der Straße überflutet. Die Menschen haben daher ihre Autos und LKWs beidseits am Straßenrand abgestellt, sodass nur ein einspuriges Fahren möglich ist. Trotzdem hat es der Buschauffeur geschafft, in relativ kurzer Zeit die Engstelle zu passieren.
Wir überqueren den Fluss Amurdarja (Oxos in der Antike) der von den Quellflüssen über 1450 km bis zum Aralsee fließt. Die Brücke, die wir benutzen ist ampelgeregelt und dient auch gleichzeitig als Brücke für Züge, auf der gleichen Spur. Da werden dann die Autos angehalten.
Seit den 1950er Jahren, als die Sowjets das Gebiet beherrschten, wird Wasser aus den Hochgebirgen des Pamir in großen Stauseen in Kirgistan und Tadschikistan gestaut und im Frühjahr bzw. Sommer in vielen offenen Kanälen abgelassen, das dann durch die Wüstenlandschaft fließt. Insbesondere Baumwolle, die viel Wasser benötigt und Getreide wurde angebaut. Die Produktion wurde verzehnfacht. Das auf Kosten der Wassermenge, die in den Aralsee fließt.
1911 flossen noch 1775 m³/s in den See, heute versickert und verdunstet die Restmenge (nach dem Abzweig der Bewässerungskanäle) auf dem Weg dahin. Darüber hinaus plant Pakistan einen weiteren 280 km langen Bewässerungskanal. Eine Umkehr im Denken ist vermutlich unmöglich.
Der Aralsee ist heute zu 90% Wüste (Aralkum), der Rest wird auch bald verdunsten. Lediglich der „Kleine Aral“ in Kasachstan, der durch einen anderen Fluss gespeist wird, lebt noch. Die Gefahr ist aber groß, dass auch ihm das Wasser abgegraben wird.
Es ist halt problematisch. Die einen wollen die Wasserkraft im Winter nutzen für die Stromerzeugung und da das Wasser aus den Stauseen ablassen, die anderen brauchen das Nass für ihre Felder im Frühling und Sommer. Ein Kompromiss scheint nicht greifbar. Vielleicht sollten wir den betroffenen Staaten einmal von der Donaukommission erzählen, wo sich die Anrainerstaaten sehr wohl auf Schutz und Entnahmemengen geeinigt haben – ohne Kriegsdrohungen oder sonstige Erpressungen.
Bei einem kurzen Stopp dürfen wir einen Blick hinüber nach Turkmenistan machen. Hier bildet der Fluss die Grenze. Turkmenistan schottet sich von den Nachbarn ab und will möglichst keinen Kontakt.
Weiter geht´s auf einer halben Autobahn durch eine Steppenwüste in Richtung Buchara. Erstaunlich, wie nach zwei Nächten Regen, die Sträucher austreiben und zu blühen beginnen.
Bei einem Biobrake werden wir mit Kizilkul einem Wüstenstrauch bekannt gemacht, der nur hier wächst:
Hier eine vertrocknete Wüstenstaude und eine Wüstenblume. (Ich will keine Fragen hören!)
Weiter durch die Wüste. Die Landschaft ändert sich die nächsten 300 km nicht. Man findet nur hin und wieder eine Tankstelle mit angeschlossenem Imbiss und die Spuren von Kamelen. „Baktrische Kamele“, wurden wir aufgeklärt, was soviel wie Trampeltier bedeutet.
Diese Trampeltiere sind ähnlich den Elefanten, Tiere mit einem langen Gedächtnis und können bei schlechter Behandlung durch den Kameltreiber sehr nachtragend sein und störrisch wie Esel. Sie fressen nur bestimmte Pflanzen und darüber hinaus, müssen diese auch entsprechende Qualitäten aufweisen. Passt die Pflanze, aber die Qualität nicht, geht das Tier nicht weiter. Die Kameltreiber haben daher einen Blick dafür (kennen auch 10 verschiedene Grüntöne dieser Pflanze) und müssen oft einen Umweg gehen, damit sie letztlich ans Ziel kommen, ohne dass das Trampeltier streikt. Die Tiere haben ihren Blick immer in die Ferne gerichtet und können sich die Lage von spitzen Steinen auf 15 Meter genau merken, sodass sie bei diesem angekommen automatisch seitlich wegsteigen, ohne auf den Boden zu blicken.
Die Natur hat ihnen noch ein weiteres Talent mitgegeben. Bei sehr sandigem Boden, bei dem sie tiefer einsinken mit ihren Beinen, können sie die Ballen zwischen den Zehen mit Blut aufpumpen, sodass die Auftrittsfläche breiter wird und sie weniger tief sinken. Das birgt aber auch Gefahren. Wenn so ein Trampeltier des Nachts in einer Karawanserei übernachtet, muss der Kameltreiber, wenn er sein Tier liebt, auf der Hut sein. Ratten und Mäuse können nämlich diese blutgefüllten Ballen annagen, um zum Blut zu gelangen. Das führt oftmals zu Infektionen, das Tier erkrankt und muss aufgegeben werden.
Umgekehrt, sollte ein Kameltreiber in die Situation kommen, kurz vor dem Verdursten zu sein, so kann er beim Kamel durch Abbinden einen künstlichen Blutstau herbeiführen. Dann kann er eine Ader des Tieres anstechen und Blut entnehmen und dieses trinken. Danach wieder die Abbindung lösen und davor die Wunde verbinden. Angeblich kann so einem Kamel problemlos 2 – 3 Liter Blut abgenommen werden. Erstaunlich welche Kameltreibersurvivals man so lernt.
Den Trampeltieren kann man auch zu Sommerbeginn die Wolle problemlos „abziehen“. Soll angeblich sehr leicht gehen, ihnen das Fell abzuziehen (ohne Haut), indem man an den Haaren zieht. Die Tiere erneuern danach ihre Haarpracht. Der Mensch walkt diese Wolle in langen, langen Prozeduren und produziert mit dem gewonnenen Vlies Stoffbahnen, mit denen wiederum die Jurten innen umspannt werden, als Isolierung. Die Isolierung soll so gut sein, dass damit und mit einem kleinen Kameldungofen Minusgrade im mittleren zweistelligen Bereich in der Jurte locker überlebt werden können. Die Trampeltiere halten diese Temperaturen im Freien auch aus.
Endlich kommen wir nach 430 km Tagesfahrt in unserem Hotel im Zentrum von Buchara an. Duschen, Geld beheben und ab geht´s zum Abendessen. Die servierten Menüs waren bisher durchwegs sehr gut, ebenso das Bier.
Als wir weggehen, wird der Himmel langsam dunkel und der Wind nimmt zu. Ins Restaurant kommen wir noch ohne nass zu werden, aber dann beginnt das Gewitter.
Mit der Regenjacke können wir, als das Ärgste vorbei ist, den Heimweg trotzdem so halbwegs trocken zurück legen. Morgen passt wieder alles.
Auch heute findet sich niemand, der so etwas in der Gegend schon erlebt hat. Für uns ist das kein Drama, wir kennen uns mit Regen aus.
Wow! Erfahrt Ihr das alles bei einer Führung oder hast Du das alles irgendwo nachgelesen. Das ist total interessant.
Danke für die interessanten Ausführungen !