Heute ist D-day. Nicht die Invasion in der Normandie, sondern unsere mit Heerscharen anderer Pilger in Santiago de Compostela.

Irgendwie ist es unwirklich, dass die „Hatscherei“ heute zu Ende geht. Trotzdem freuen wir uns schon auf das Ziel. Irgendwann muss es auch genug sein.

Zirka 15 Kilometer außerhalb Santiagos liegt der Flughafen, den wir zur Hälfte umrunden. Ein fahrender Händler hat sich den exponierten Punkt in der Nähe des Zauns zu eigen gemacht und verkauft Souvenirs, Stempel und natürlich auch Getränke. Er hat den Punkt gut gewählt.

Gleich ums Eck sehen wir die Piste und den Tower. Übermorgen am späten Nachmittag werden auch wir mit der Iberian Airways abheben und zuerst nach Madrid fliegen mit dem Anschluss nach Wien, wo wir spät Abends landen werden.


Auch bei der nächsten Kapelle gibt es ein Gedränge um den begehrten Pilgerstempel. Mindestens zwei braucht man pro Tag auf den letzten 100 Kilometer. Mir kommt das wie das Panini-Pickerl sammeln vor.

Kurz danach fließen zwei Bäche ineinander. Der Ort nennt sich Labacolla. Hier haben sich im Mittelalter die Pilger nochmals gewaschen, bevor sie in Santiago eingezogen sind. Auch heute hat das der eine oder andere Pilger noch vor. In der Bildmitte könnt ihr einen sehen, der seine Füße ins Wasser gesenkt hat. Zugegeben, viele sind es nicht.

Der Brauch den 65 kg schweren Weihrauchkessel in der Kathedrale in Santiago pendeln zu lassen kommt nicht von ungefähr. Um der Messe einen gewissen feierlichen Touch zu verleihen, musste man schon im Mittelalter den Gestank, den die zumeist ungewaschenen Pilger verbreiteten, irgendwie übertünchen. Das gelingt mit Weihrauch sehr gut. Heute ist es eine Touristenattraktion und Geldeinnahmequelle.

Die Horde trippelt unaufhörlich weiter. Mancher hat schon große Probleme. Ein alter Mann hat sich mit einer Geschwindigkeit von geschätzten zwei Stundenkilometern vorwärtsgekämpft und trotzdem Frohgemut vom Finale gesprochen. Er hatte noch über sechs Kilometer vor sich. Der nächste hatte nur mehr einen Schuh an und wandelte mit dem anderen in der Socke auf der Straße, weil sich so leichter die Fußschmerzen ertragen lassen.

Die Guardia Civil ist wie schon einmal erwähnt so etwas wie die Tempelritter im Mittelalter. Auch heute achten sie auf das Wohlergehen der Pilger und sind freundlich, unauffällig, aber präsent, wie hier im Hohlweg.

Ihre Vorgänger stehen nur mehr symbolisch in Parks.

Wir kommen über den Monte Gozo, der nicht umsonst Berg der Freude heißt. Im linken Bilddrittel kann man undeutlich aber doch die drei Türme der Kathedrale von Santiago erkennen. Heiliger Bimbam! Jetzt sind es nur mehr fünf Kilometer.


Wir kämpfen uns vorwärts, anders kann man es nicht beschreiben. So knapp vor dem Ziel wird es mühsam. Da hilft auch der Dudelsackspieler nicht mehr, den nötigen Drive zu erreichen.

Noch um eine Ecke herum und wir stehen vor der Kathedrale.

Es ist ein erhebender Moment, es geschafft zu haben. Uns beiden überkommt die Rührung und ich gestehe, wir haben Tränen in den Augen.

Nach 3.290 Kilometern und insgesamt 42.620 Höhenmetern (was die vierfache Flughöhe eines Verkehrsflugzeuges entspricht), haben wir es geschafft.

Kurz darauf folgen wir unserer Tradition, trinken das Willkommensbier und suchen unser Hotel. Dort duschen wir und vernichten unsere Socken und so einige andere Kleidungsstücke, die ihre eigentliche Aufgabe nicht mehr wirklich wahr nehmen.
Danach holen wir unsere Compostela ab, was sich erstaunlich einfach gestaltet. Wir holen uns auch die Kilometerbestätigung für Wien – Santiago. Wir bekommen nur 3.100 Kilometer eingetragen, weil das die offizielle Weglänge ist. Was soll´s, wir haben es mit Komoot dokumentiert, wieviel es wirklich waren.

Die lustigen Weiber von Santiago feiern auf ihre Art. Ich muss mir neue Socken und Unterhosen kaufen.

Es beginnt zu gewittern und wir flüchten in ein Restaurant. Es geht sich zeitlich so aus, dass wir danach die Abendmesse besuchen können. Der Botafumeiro, sprich der Weihrauchkessel, hängt zentral von der Kuppel. Er wird heute nicht geschwenkt, denn es müssen 300 Euro bezahlt werden, damit diese Action statt findet. Schauen wir morgen wieder vorbei, denn das hätten wir schon gerne gesehen.


Das Positive des Tages: Ziel nach 123 Tagen erreicht. Ein Pilgertag, das ist nur einer, verpilgern wir ihn, dann ist da keiner.
Ich möchte mich noch bei der besten Ehefrau von allen bedanken, dass sie mich hierher begleitet und wieder einmal bewiesen hat, dass man mit ihr bis ans Ende der Welt gehen kann. Und ich möchte auch euch allen danken, die ihr uns virtuell begleitet habt und oftmals durch aufmunternde Statements uns das Gefühl gegeben habt, nicht nur Spinner zu sein, sondern dass wir das umsetzen, was der eine oder die andere auch gerne machen würde.
In diesem Sinne wünschen wir euch allen „Ultreia!“ oder „Buen Camino!“ also einen „Guten Weg“, egal wohin ihr auch gehen möget. Sei es mit der Bibel oder dem Reiseführer in der Hand oder dem Partner Hand in Hand.
Morgen werden wir uns die Stadt ein wenig anschauen und selbstverständlich auch davon noch berichten. Für heute: Gn8
L. Elfi, lieber Walter!
Wenn ich könnte, würde ich Euch jetzt eine Urkunde überreichen.
Ihr habt Unglaubliches geschafft und während ich das hier schreibe, muß ICH heulen.
Genießt die lt. Stunden, den lt. Tag und kommt gut und gesund nach Hause.
Irgendwann kaufe ich mir einen Hut und den ziehe ich dann vor Euch.
Ihr könnt mächtig stolz auf Euch sein.
Alles Liebe. Elfi Meyer
Wunderbar, dass Ihr das geschafft habt!
und danke dass ihr eure Eindrücke dieser anstrengenden Tour auch so anschaulich vermittelt habt.
Kommt auch wohlbehalten wieder gut nach Hause…
Liebe Grüße
Günther
soll ich noch weiter mähen während ihr zurück geht ?????? gruß leopold