Bis ins späte Mittelalter wurde von den Menschen die Notdurft dort verrichtet, wo man gerade musste. Im Wald war das weniger ein Gesprächspunkt als in der Stadt. Im Hofe der Häuser gab es für deren Bewohner zumeist ein Plumpsklo. In das wurden auch die nächtlichen Erfolge, die man in den Nachttopf („Schearm“) erledigte, geleert. Übrigens kommt daher auch der Ausdruck, jemand hat den Schearm auf, sprich: Über den Kopf entleert und dementsprechend ein super Gefühl. Von Zeit zu Zeit wurden diese Plumpsklos entleert, indem man sie auf Karren ausschöpfte und das Produkt außerhalb der Stadt zum Düngen brachte. Natürlich kam nur mehr die dicke Masse an, der Rest tropfte entlang des Weges ab.
Soweit so gut. Was aber wenn einem unterwegs in der Stadt das Bedürfnis einholte? Das schaffte im Laufe der Zeit einen neuen Berufszweig: Buttenmänner und -frauen. Diese kleideten sich mit sehr weiten Umhängen und trugen Butten mit Sitzbrett durch die Straßen, boten so ihre Dienste an. 1 Kreuzer soll das gekostet haben, im Schutze des Umhangs seinen Abtritt zu erledigen.
Das war die noble Variante. Alle, die kein Geld hatten oder dafür ausgeben wollten, die suchten sich eine geschützte Ecke und taten, was getan werden musste. Es wird jedem klar sein, dass nicht nur der Gestand fürchterlich war, sondern damit auch Seuchen Tür und Tor geöffnet wurde.
Zu Beginn der Neuzeit (so ca. ab 1.500) versuchte die Stadt die Wirte dazu zu bringen, ihre Toiletten öffentlich zugänglich zu machen, also auch für Nichtgäste. Der Erfolg war damals genauso groß wie heute. Finde einen Lokalbetreiber, der die Toilettennutzung für Nichtgäste erlaubt.
So gegen Ende des 19. Jahrhunderts wurde das Problem immer dringlicher und man beschloss den Bau von öffentlichen Bedürfnisanstalten. Natürlich waren die Wiener dafür, nur nicht vor ihrer eigenen Haustür. Es gab lange Ratsdiskussionen, bis die Fa. Beetz (die es heute noch mit Sitz im 3. Bezirk gibt), mit dem Bau und Betrieb der Jugenstiltoilettenanlage am Graben beauftragt wurde. Hierzu werde ich noch einen eigenen Beitrag schreiben.
Die Fa. Beetz war damals sehr innovativ und erfand auch das Pissoir mit Öl-Siphon. Wassergespülte Anlagen im Freien waren im Winter dem Zufrieren ausgesetzt, ein Siphon mit Öl (Öl schwimmt ja auf Wasser) verhinderte die Geruchsbelästigung aus dem Kanal. Das System fand große Anerkennung. Bereits 1905 wurden weltweit über 100.000 Pissoire aufgestellt und damit auch Geld verdient. Der in Tanks aufgefangene Urin wurde verkauft, beispielsweise an Gerbereien.
Auch mit der Aufstellung und Betrieb von WC-Anlagen machte die Firma großen Gewinn.