Um 6.45 und ohne Frühstück starten wir. Von gestern wäre noch nachzutragen, dass wir doch noch drei Bienenfresser gesehen haben. Beim ersten, den wir nur im Flug sahen, war es eher eine Glaubensfrage: „Glaubst du, das war einer?“ Durch die anderen beiden kurz darauf wurde der Glaube zur Gewissheit, was schon mal vorkommen kann, beim Jakobsweg.

Der erste morgendliche Ausflug der besten Ehefrau von allen in die Wildnis, brachte ihr nicht nur Erleichterung, sondern auch Erkenntnis:

Abwechslungsreich von der Landschaft, geht es immer weiter bergauf. Die Steigung ist nicht sehr dramatisch, so zwischen 4 und 10 Prozent, doch auch hier merken wir, wie viele Pilger sich verausgaben, weil sie viel zu schnell bergauf laufen. Die meisten holen wir später wieder ein.

Wir bekommen im nächsten Ort unser Frühstück und stellen auch hier fest, dass die Taxifahrer nicht schlecht verdienen dürften, denn immer wieder wird jemand abgeholt, der Fußmarod ist oder sich einfach ein wenig Erholung gönnen möchte.

Auf dem Weg hinauf nach Foncebadon überholen wir zuerst eine Brasilianerin und 200 Meter später ihren Mann (beide so um die 50 – 60). Er ruft ständig zurück, um sie offensichtlich zu pushen. Sie keucht, prustet und kann offensichtlich nicht mehr. Er ist laut wie ein Steuermann beim Rudern auf der Themse bei Oxford gegen Cambridge, der den Achter im Takt halten möchte. Ich würde verstehen, wenn sie ihn den nächsten Steilhang runter stoßen würde…

Endlich kommen wir beim Cruz de Ferro an. Das ist mit ungefähr 1.500 Metern der höchste Punkt des Camino Frances in Spanien, ein Steinhaufen mit einem fünf Meter hohen Baumstamm auf dem ein Eisenkreuz thront. Jeder Pilger, der hier vorbei kommt legt einen Stein ab. Der Brauch ist eigentlich nicht christlich, denn die Römer haben hier dem Gott Merkur durch Ablegen eines Steines gehuldigt. Davor haben die Kelten ebenso solche herausragenden Stellen als Kultplätze genutzt.

Inzwischen wird dieser Brauch problemlos in christliche Wallfahrten integriert und dient als Zeichen, der auf dem Weg zurückgelassenen Sünden. Etliche Pilger nutzen die Gelegenheit auch, um Briefe oder andere Gaben beim Baumstamm zu hinterlassen, ähnlich der Tradition der Juden in Jerusalem bei der Klagemauer.

Ein Gebet besagt, dass der Stein zugunsten des gläubigen Sünders in die Waagschale gelegt werden soll, wenn Gott über die Taten des Lebens richtet.

Die Chuzpe ist aber die, dass in den 1950er Jahren der Originalsteinhaufen, der zumindest seit der Römerzeit vorhanden war, 300 Meter weiter südlich bestand. Irgend ein schlauer Touristenmanager war dann der Ansicht, dass das für die Bustouristen zu weit von der Straße weg läge und ließ den Haufen so, wie ihr ihn jetzt seht, aufschütten. Man darf das alles offensichtlich nicht zu eng sehen.

Gleich neben dem Cruz de Ferro gibt es einen Rastplatz mit einer kleinen Kapelle, bequem auch vom gegenüberliegenden Busparkplatz erreichbar.

Von nun an marschieren wir hauptsächlich geradeaus oder bergab.

Der Anblick vom Heidekraut und der Ausblick auf die Berge und Hügel der Umgebung sind wohltuend im Vergleich zur letzten Woche.

Wir gehen in gewissem Abstand rechts oder links einer Höhenstraße bis zur Ortschaft Manjarin. Bei den paar Häusern gibt es Thomás den „Tempelritter“. Er wollte 1993 nach Santiago pilgern, blieb aber hier hängen und entschied sich für die Jakobspilger zu sorgen. Jeder der hier vorbei kommt, kann gegen eine Spende einen Kaffee trinken oder zwei Mal am Tag sich einen speziellen Schutzsegen geben lassen. Für sechs Pilger gibt es auch ein Lager und Thomás und seine Templer kochen auch auf Verlangen und gegen Spenden. Sie betreiben auch einen Souvenirshop und einen Minikiosk. In Sachen Sauberkeit bedarf es offensichtlich noch der einen oder anderen Nachhilfestunde. Aber der Wille geht vor das Werk – oder?

In der nächsten Ortschaft El Acebo, die für unseren Geschmack viel zu weit entfernt liegt, bekommen wir eine gute Suppe und kühle Getränke. Der Vorteil des Ortes ist der, dass er der erste ab dem Cruz Ferro ist (ausgenommen von Manjarin, was aber für mich nicht zählt).

Die gesamte Ortschaft macht einen freundlichen Eindruck und lebt offensichtlich ausschließlich von den Pilgern. Bars, Restaurants und Herbergen machen in etwa 80 Prozent der schön renovierten Steinbauten aus.

Manches harrt auch noch eines Käufers.

Danach kommt Riego de Ambrós. Keine Ahnung, ob der Wolferl schon einmal da war. Es ist auch ein netter Ort, nur das meiste Geschäft macht der Ort davor. Aber das wird auch noch, wenn der Boom weiterhin anhält.

Wir marschieren immer weiter bergab. Bei jeder Kurve glauben wir, bereits unten angekommen zu sein, doch es geht noch tiefer. Wir müssen bei den Schieferplatten fürchterlich aufpassen, denn bei dem Untergrund neigt man zu Unfällen.

Das wissen die Taxifahrer der Umgebung offenbar auch, denn sie bieten überall ihre Dienste an. Ich denke auch, dass sie hier mehr Geschäft machen, als ihre Kollegen in Wien. In Wien wartet der Taxler auf Kundschaft, hier muss der Kunde aufs Taxi warten.

Hinter zwei Japanern, die wegen der Sonne mit aufgespanntem Regenschirm, breitkrempigem Hut samt Fremdenlegionssonnenabschirmung hinten und seitlich, sowie Handschuhen und Schal bekleidet sind, kommen wir wieder nach dem abschüssigen Schiefer-Schotterweg auf eine Landstraße.

Über eine alte Bogenbrücke geht es hinein nach Molinaseca.

Alles bei strahlendem Sonnenschein – ohne einer Spur von Gewitter.

Das Positive des Tages: Auf die Wettervorhersage ist kein Verlass. Neun feine Pilgertage, da haben wir gelacht, die Zeit ist schnell vergangen, jetzt sind es nur mehr acht.

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