Johnnie Walker und Walker Schattauer haben eines gemeinsam: Keep walking. Und das sollte auch das Motto von uns allen sein, mit dem spanischem Zusatz „Was auch immer eure Träume sind.“ Wenn jemand noch einen Wecker dafür benötigt, bitte sehr: Ausdrucken, ausschneiden und als Motto an die Wand hängen.

Wir brauchen keinen. Wir sind hellwach und machen uns kurz vor sieben auf den Weg. Wir gehen an der sehr schönen Saint Martins Kirche vorbei, die wir gestern Abend schon fotografiert haben, bevor wir eine köstliche Paella zum Abendessen in einem Restaurant bekamen.

Am Nebentisch saßen acht Asiaten beim Abendessen. In der Regel sind das Taiwanesen, Südkoreaner oder Japaner, die offensichtlich heuer in Massen zum Camino Frances strömen. Das Jahr 2023 soll ein Rekordjahr für Pilgerankünfte werden. Bereits nach der ersten Mai-Woche ist das Ergebnis von Ende Mai 2022 erreicht und das war schon ein Rekordjahr. Problematisch wird es mit den Bettenbuchungen. Bei 300 Ankünften täglich und 184 Betten in Roncesvalles, dem Ort in den Pyrenäen, kann sich jeder vorstellen, dass sich das nicht ausgeht. Taxifahrer haben Hochsaison und bringen die Pilger in weit entfernte Orte. Das Problem wird im Laufe der Strecke nicht weniger, sondern größer, denn für die letzten 200 beziehungsweise 100 Kilometer, für die es ebenso eine Urkunde gibt, interessieren sich noch viel mehr „Pilger“.

Wir haben das Problem natürlich auch zu spüren bekommen. Vor Jahren brauchte niemand zu buchen, jetzt haben wir schon in Frankreich mit zwei bis vier Tagen im voraus gebucht und die Tagesetappen je nach Unterkunftsmöglichkeit und weniger nach persönlicher Fitness richten müssen. In Spanien haben wir bis Santiago de Compostela durchgebucht und auch den Flieger nach Wien retour. Jetzt muss nur noch fußtechnisch alles klappen. In den öffentlichen Herbergen werden keine Reservierungen vorgenommen, sondern wer zuerst kommt, hat das Bett oder Lager. Wir sehen daher schon am Vormittag viele Schilder mit „Heute kein Platz mehr“ an den Herbergstüren. Die Pilger stehen oftmals um vier Uhr in der Früh auf und marschieren bei Taschenlampen- oder Stirnlampenlicht los, um 20 – 25 Kilometer weit zu kommen und setzen sich dann vor die Herbergen, warten bis sie eingelassen werden.

Von Fromista hinaus und bis zur nächsten Ortschaft in vier Kilometern müssen wir auf der sogenannten Pilgerautobahn neben einer Bundesstraße dahintrotten. Danach wählen wir die Variante, die Abseits der Straße zwischen den Feldern entlang geht. Das ist ebenso eine Schotterpiste, nur ist es bedeutend ruhiger, dafür aber ein Stück länger, was heute egal ist, weil wir insgesamt heute weniger weit haben.

Die Felder rechts und links werden über ein Aquäduktsystem bewässert, wie die vergangenen Tage auch schon gesehen. Wege und Straßen werden daher über ein Dükersystem überwunden (Prinzip der kommunizierenden Gefäße).

Man merkt es manchen an, dass eine Jausenstation naht.

Fragt nicht wieso plötzlich eine überdimensionale Hand herum liegt. Ich weiß es nicht.

Wir essen einen kleinen Salat und die stillen Zecher werden sogleich monumental verewigt.

Fertig. Die letzten sechs Kilometer für heute werden in Angriff genommen. Es bleibt uns nichts erspart, wir müssen die Pilgerautobahn nehmen.

Die Gegend bleibt rechts und links gleich: Felder und Felder und zur Abwechslung: Felder.

Eigentlich soll es hier in der Meseta ein Vogelparadies geben. Von den vielen Störchen habe ich schon berichtet. Es gibt natürlich neben den massenweise auftretenden Schwalben und Spatzen auch viele Singdrosseln. Dennoch kamen uns die hier angeblich in großer Zahl vorkommenden Wiedehopfe und Bienenfresser noch nicht unter. Wiedehopfe haben wir zuletzt in Ägypten gesehen und Bienenfresser, ich weiß nicht wann den letzten. Wir sehen hier auch nicht einmal Bienen. Vielleicht ist es denen noch zu kalt zum Honig sammeln oder sie werden von den Windböen zu stark verblasen, dass sie lieber im Stock bleiben. Und wenn sie im Stock bleiben, gibt es auch kein Futter für die Bienenfresser. So weit meine Theorie.

Plötzlich spielt es „Apokalypse now“. Vor uns ist ein kleiner Hügel. Hinter dem steigt ein Hubschrauber der Guardia Civil empor. Er fliegt sehr, sehr tief, vielleicht zehn Meter über dem Boden und knapp neben der Pilgerautobahn daher. Suchend schauen Pilot und Copilot aus dem Cockpit. Machen die eine Pilgerzählung oder halten sie nach illegalen Flüchtlingen Ausschau, die sich unter die Pilger gemischt haben könnten? Ich komme zu spät um ein Foto zu machen.

Als wir zehn Minuten später am Ortsrand von Carrion de los Condes ankommen, fliegen sie wieder zurück, allerdings beträchtlich höher. Diesmal bin ich schneller mit dem Handy.

Linkerhand finden wir die Klosteranlage Santa Clara aus dem 13. Jahrhundert. Auch heute noch werden Pilger aufgenommen.

Wir haben unseren Platz aber in einem Hostel gebucht und sind auf der Suche danach. Der, wie beinahe schon in jedem Ort vorhandene, Heilige begrüßt uns.

Natürlich führt der Pilgerweg an einer Kirche vorbei, der Santa Maria.

Es wird immer üblicher, in den Kirchen stimmungsvolle, leise Musik über Lautsprecher einzuspielen. Das macht den Aufenthalt im Raum gleich harmonischer und unterstützt durch die oftmals kirchlichen Choräle die Momente der Besinnung. Was aber hier in der Kirche passiert ist, ist für mich eindeutig Themenverfehlung. Bizets Carmen wurde gespielt. Ist zwar schön, aber vielleicht nicht die richtige Kirchenmusik.

Unsere Zimmer sind noch nicht fertig, wir können nicht einchecken. Es bleibt uns nichts anderes übrig, als zwei Häuser weiter, uns ein Willkommensbier zu bestellen.

Das Positive des Tages: Super Hostel, Tagesetappe zeitig erledigt, freuen uns aufs Abendessen.

Kommentieren Sie den Artikel

Bitte geben Sie Ihren Kommentar ein!
Bitte geben Sie hier Ihren Namen ein