Nach dem Frühstück haben wir nach dem Ortsausgang…

ein steileres Wegstück vor uns. Gleich rechts steht eine malträtierte Christusstatue.

Die Strecke führt heute nicht mehr durch Weingärten, sondern durch Getreidefelder. Kilometerlang führt uns der Weg ohne ein Bauerngehöft zu sehen.

Einmal gibt es eine kleine Abwechslung, weil wir neben einer Hopfenplantage vorbei marschieren. Das ideale Wanderwetter mit 14 bis 16 Grad hat es auch und wir kommen zügig voran.

Erst auf einer Anhöhe kurz vor Santo Domingo de la Calzada machen wir einen kleinen Tankstopp und gönnen uns eine Cola bei einem fahrenden Händler.

Santo Domingo ist auch das Stichwort. Der Heilige soll nämlich für das sogenannte Hühnerwunder zuständig sein.

Eine Pilgerfamilie soll auf ihrem Weg nach Santiago de Compostela bei einem Wirten in Santo Domingo de la Calzada übernachtet haben. Die Wirtstochter wollte den Sohn der Pilger verführen, was dieser als gläubiger Christ ablehnte. Die Wirtstochter versteckte daraufhin aus Rache einen Silberbecher im Gepäck des Burschen. Der Wirt erstattete beim Stadtbüttel die Anzeige und dieser fand sehr schnell beim Burschen den Becher.

Der Bursche wurde nach kurzem Prozess aufgehängt und die Eltern zogen schweren Herzens weiter. Auf dem Rückweg kamen sie wieder am Baum vorbei, wo ihr Sohn hang. Der sprach sie an und erklärte, er sei gar nicht tot, denn Santa Domingo habe ihn an den Füßen in die Höhe gehalten. Die Eltern liefen daraufhin zum Richter und berichteten was sie gehört hatten. Der lachte nur und meinte, ihr Sohn wäre genauso tot wie die beiden Hühner, die er gerade zum Mittagessen verzehre. Daraufhin erhoben sich die Hühner und flatterten davon.

Nun glaubte man die Geschichte, hängte den Burschen ab und dafür die Wirtstochter auf. Zur Erinnerung an dieses Wunder werden seit diesem Tage ein weißer Hahn und eine weiße Henne in der Kirche in einem Stall gehalten.

Soweit die Geschichte. Das müssen wir natürlich auch sehen und so begeben wir uns in die Stadt.

Die Kathedrale , die mehr einer Kirche ähnelt, ist rasch gefunden. Mittlerweile ist es auch 12 Uhr geworden.

Nur: An der Tür hängt ein Schild mit Eingang um die Ecke. Dort nochmals und dann wiederum. Fein. Bei einer kleinen unscheinbaren Tür steht dann „Eingang“. Hinein mit uns. Drinnen stehen vier Pilger und regen sich gerade auf, dass die Kirche von 12 Uhr bis 15 Uhr geschlossen ist, weil heute eine Prozession zu Ehren des Heiligen stattfindet und außerdem um 13.00 eine Messe ebenso zu Ehren des Schutzpatrons. Außerdem kostet der Eintritt in die Kirche fünf Euro pro Person, egal ob Pilger, Besucher, Pensionist…

Wer zahlt schon fünf Euro um einen Hahn und eine Henne zu sehen? Wir natürlich, aber wir wollen auch nicht bis 15.00 warten. Also werden wir einmal einen kleinen Imbiss zu uns nehmen. Das kann nie schaden. Dann beschließen wir vor 13.00 wieder bei der Kathedrale zu sein, denn wenn eine Messe ist, muss man ja die Gläubigen irgendwo rein lassen.

Stimmt. Das Haupttor ist geöffnet. Rechts und links stehen Leute, die als Türwächter bei einer Diskothek anheuern könnten. Uns ist schon aufgefallen, dass heute alle Menschen sehr herausgeputzt sind. Die Stadtoberen tragen alle silberne Plaketten an Silberketten um den Hals. Die Wahl fällt auf mich. Ich soll rein und unbemerkt Fotos vom Hühnerstall machen, während die beste Ehefrau von allen auf die Rucksäcke aufpasst. Also spanisch blasiertes Gesicht der Oberschicht aufgesetzt und zwischen den Torwächtern rein in die Kirche, mit leichtem Schweißdeo und Goiserern an den Füßen. Ich hätte mir noch die Jakobsmuschel um den Hals hängen können, doch das ließ ich bleiben.

Die ersten Gläubigen sitzen schon, die Stadtoberen kommen erst. Der erste Eindruck von der Kathedrale: schmucklos. Auffällig unauffällig schlendere ich durch den Raum und fotografiere diskret, in der Hoffnung den Hühnerstall zu entdecken. Außer einer Figur des Heiligen hinter Gittern, ist mir nicht aufgefallen, wo das sein könnte.

Der Abgang zur Krypta ist versperrt, da geht es also nicht weiter. Der Raum hinter dem Chor ist ebenso durch Bänder abgesperrt. Ich schleiche an der Absperrung vorbei und schaue in jede Nische. Überall wird ein anderer Heiliger ausgestellt, nur keine Hühner. Enttäuscht drehe ich mich um, da kommt mir derjenige, der uns davor dezidiert erklärt hatte, wir könnten erst ab 15.00 wieder in die Kathedrale, mit einem sehr bestimmten: „Senor, no senor, no,“ entgegen und geleitet mich Richtung Ausgang. Nachdem ihm davor ein anderer ungebetener Gast auffiel, der offensichtlich die gleiche Idee wie ich hatte, war ich nicht mehr im Mittelpunkt seines Interesses. Ich blieb also stehen und drehte mich im Kreis. Plötzlich sah ich in Überkopfhöhe ein Licht aufleuchten, wie bei einer Auslage.

In der Auslage trippelt eine Henne von links nach rechts und ein Hahn kräht lauthals. Ich mache schnell zwei Fotos und habe das Gefühl, dass das Hahnengeschrei und die Beleuchtung einem anderen Touristen zu verdanken ist, der einen Pushknopf in der Nähe der Wand gedrückt hat.

Ich verdrücke mich Richtung Ausgang und da kommt schon die Prozession an. Die beste Ehefrau von allen, hat die Tänzer fotografiert…

…und ich die Prozession. Zumindest die Kinder in den ersten Reihen. Die Stadtoberen, die danach Einzug hielten, habe ich außen vor gelassen und bin wieder zur besten Ehefrau von allen geeilt, damit wir weiter gehen können.

Wir haben in Summe keine zehn Euro bezahlt, das Federvieh, das angeblich wöchentlich getauscht wird, zwar gesehen, aber nicht mehr aufs Foto bekommen. Aber alle Achtung! Das nenne ich Marketing nach einer super Storytelling-Aktion. Denn wer zahlt sonst irgendwo fünf Euro, nur um einen weißen Hahn und eine weiße Henne zu sehen?

Noch eine Kapelle am Ortsrand vor einer Brücke, die über ein ausgetrocknetes Flussbett führt.

Die letzten sechs Kilometer sind angebrochen und es wird wieder einmal dunkler. Hoffentlich hält das noch bis Granon und wir werden nicht vom Regen erwischt. 900 Meter vorm Ziel ziehen wir wieder einmal die Regenjacken an.

Die „Infotafel“ am Ortseingang.

Weiter die Hauptstraße entlang, bis zur Kirche.

Glücklich kommen wir in der Unterkunft an und es beginnt zu schütten. Nach der Körperpflege gehen wir in die einzig offene Bar im Ort und hoffen etwas zu Essen zu bekommen. Wir haben Glück. Es dauert zwar, aber wir bekommen etwas. Der Heilige Domingo ist nämlich Schuld daran, dass heute in der Region ein Feiertag ist und fast alles geschlossen hat.

Das Positive des Tages: Ich habe kurz gratis einen spanischen Hühnerstall in einer Kirche gesehen, wir sind dem heftigsten Regenschauer entkommen und haben noch ein Abendessen ergattert.

1 Kommentar

  1. Ihr seid ja doch ein tolles Team.
    Es geht nichts über „Arbeits-(Fotografier)aufteilung.

    Die Geschichte mit dem „aufgehängten“ jungen Mann und den Hühnern …. ist ja eine gruselige Geschichte.
    Na ja, Gruselgeschichten kennen wir doch von der Kirche. 😉

    Also wieder ein durchaus perfekter Tag.

    LG Elfi M.

Kommentieren Sie den Artikel

Bitte geben Sie Ihren Kommentar ein!
Bitte geben Sie hier Ihren Namen ein