Heute machen wir uns auf den Weg zur Königsetappe der gesamten Wanderung. Wir besteigen die Pyrenäen. Aufstehen 5.30 und Frühstück, 6.19 Morgendämmerung, 6.35 Abmarsch, 6.50 Sonnenaufgang. Viele sind heute um diese Zeit bereits auf dem Weg, andere schauen erstaunt, weil sie erst auf dem Weg in die Bäckerei sind. Gleich nach dem Fluss beginnt der Aufstieg.

Es gibt die unterschiedlichsten Typen auf dem Camino. Die einen beginnen mehr als schnell, zumeist erkennbar an sauberen, neuen Schuhen, die anderen haben bereits Wandererfahrung gemacht und teilen sich ihre Puste ein. Es gibt viele Japaner und Amerikaner, ein paar Brasilianer und der Rest undefinierbar. Nach 3 Kilometer kann ich es nicht fassen:

Da stehen doch die Zeugen Jehovas am Wegesrand. Glauben die allen Ernstes, wir wären in der Situation Willens beziehungsweise überhaupt in der Lage (atemtechnisch) mit ihnen sich auf eine Bibeldiskussion einzulassen? Der Aufstieg ist nämlich doppelt atemberaubend. Einerseits gibt es Steigungen bis zu 24 Prozent, andererseits liegt es an der Landschaft.

Doch wir sind im Vergleich zu vielen anderen gar nicht so schlecht in Form. Bei etlichen sieht man, dass sie sich bereits auf den ersten Kilometern verausgabt haben.

Wer steht nach der nächsten Kehre am Straßenrand? Richtig, die zweite Delegation der Zeugen Jehovas.

Einfach ignorieren und weiter die Berge hinauf.

Bei der ersten Raststation trinken wir einen Kaffee. Auf dem Tisch steht der Heilige Jakob als Pilger.

Die Bäume weichen zurück, es gibt nur mehr Almen und felsigere Gebiete. Aufgrund des Streckenverlaufs sehen wir, dass wir bald einmal auf dem Pass ankommen.

Auch eine Marienstatue steht auf einem Gipfel.

Wir sehen wieder einige (wie ich meine) Bartgeier kreisen. Bald danach auch die Überreste eines Lebewesens. Ich hoffe, es war kein Pilger, der zu wenig Wasser mit hatte.

Auf den hier nicht mehr eingezäunten Weiden finden sich zumeist Pferde, manches mal auch Schafe.

Die Hoffnung, bald den höchsten Punkt erreicht zu haben, wird nicht erfüllt. Nach einem alten Steinkreuz geht es weiter hinauf. Davor machen wir jedoch noch eine kurze Essenspause, um wieder zu Kräften zu kommen.

Eine Schutzhütte gibt es auch.

Wenig später die positive Nachricht:

Gleich danach kommt ein Stein, der uns in Navarra Willkommen heißt. Wir sind also bereits in Spanien angelangt. Da Navarra eine autonome Region in Spanien ist, vermeidet man offensichtlich jede spanische Fahne. Von nun an geht es nur mehr leicht bergauf und bergab. Wir haben das Schlimmste hinter uns.

Wir haben heute wirklich Glück mit dem Wetter. Es ist nahezu ständig bewölkt und nicht sehr heiß. Dazu bläst noch ein leichter Wind zur Abkühlung, also das ideale Wanderwetter.

Die letzten Kilometer führen uns auch noch durch Wälder, was schattentechnisch super ist. Wir treffen eine Wandertruppe aus Taiwan.

Und leider kommen wir auch immer wieder an Gedenksteinen vorüber. Der Weg ist für so manchen in den Pyrenäen vorzeitig zu Ende gegangen.

Unsere heutige Unterkunft liegt in Roncesvalles. Das liegt südlich des Ibaneta-Passes und heißt so viel wie „Täler der Dornensträucher“ und zählte 2019 genau 22 Einwohner. Wenn man hier nach dem Aufstieg keine Unterkunft bekommt, schaut es traurig aus. Wir haben im Hotel eingebucht. Es gibt jedoch auch eine Pilgerherberge (die teuerste von ganz Spanien) in einer ehemaligen Abtei, die von Freiwilligen aus den Niederlanden betreut wird. Dort können 184 Pilger in drei Schlafsälen übernachten. Die beste Ehefrau von allen wollte uns ursprünglich da unter bringen, weil das schaut sehr nett aus, doch ich habe mein Veto eingelegt.

In dem Gebäudekomplex, wo ihr hier nur den Vorderteil seht ist auch ein Internat untergebracht und die Kirche.

Bekannt ist der Ort durch zwei Dinge. Das eine ist der Jakobsweg und damit die erste Station in Spanien in den Pyrenäen.

Neben der Kirche, das dürfte ein überdachter Urnenhain mit Einsegnungshalle sein. Das rote Dach gehört zu unserem Hotel.

Das zweite ist eine historische Begebenheit. 778 gab es hier eine Schlacht. Karl der Große, der davor Pamplona eingenommen hatte, befand sich auf dem Rückzug nach Frankreich, weil er seine Truppen in dem kärglichen Landstrich nicht ernähren konnte. Dabei wurde die Nachhut seines Heeres, die unter dem Kommando von Graf Roland stand, von ortsansässigen Basken angegriffen und vernichtend geschlagen, die sich sofort wieder in die Berge zurückzogen, ehe Karl mit seiner Streitmacht zurückkam.

In den folgenden Jahrhunderten wurde die Begebenheit ausgeschmückt und die Basken durch die Sarazenen ersetzt. Roland wurde zum christlichen Märtyrer und am Ende des 11. Jahrhunderts entstand daraus das Rolandslied, das viele von uns im Deutschunterricht kennen lernen durften. Zum Gedenken gibt es in dem winzigen Ort ein Denkmal.

Roland, der erkannte, dass er in einen Hinterhalt geraten war, und keine Chance hatte davon zu kommen, blies der Geschichte nach dermaßen kräftig in sein Horn, dass dieses zerbarste und gleichzeitig ihm die Halsschlagader platzte. Karl hörte zwar das Hornsignal, kam jedoch zu spät.

Soweit so schlecht. Das Horn, das übrigens Olifant hieß (weil es aus einem Stoßzahn eines Elefanten gefertigt wurde und im Altfranzösischen es das Wort für Elefant war), war ja gemäß Geschichte kaputt gegangen. Umso erstaunlicher ist es, dass einerseits die Schatzkammer des St. Veits Domes in Prag, andererseits auch das Museum der Kathedrale in Santiago de Compostela behaupten, das original Rolandshorn zu besitzen.

Wir werden die Wahrheit wohl nicht mehr heraus finden.

Das Positive des Tages: Wir haben heute 1.360 Höhenmeter gemeistert auf eine Distanz von 24,6 Kilometer. Das ging dann auch erstaunlich unproblematisch. Was auch kein Wunder ist, bei dem Anlauf.

1 Kommentar

  1. Es wird genauso oft Originale geben von diesem Horn, wie es Reliquien von diversen Heiligen gibt. 😉

    Da habt Ihr ja heute wieder eine tolle Leistung hingelegt.
    Ich ziehe meinen Hut, den ich mir erst kaufen muß.
    Mache ich aber bis Ihr zurück seid.

    LG Elfi M.

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