Bevor ich vom heutigen Tag berichte, möchte ich noch kurz vom gestrigen Abendessen in der Herberge erzählen. Neben unserem Zweiertisch stand ein Sechsertisch an dem bereits ein französisches Pärchen, so um die 35, saß. Hinzu kam ein Japaner, der mit ein paar Brocken auf Englisch versuchte zu hinterfragen, ob er noch am Tisch Platz nehmen dürfe. Der Franzose versuchte mit ebenso ein paar Brocken Englisch dem Japaner zu erklären, dass er die Frage nicht beantworten könne, weil die Kellnerin für die Tischreservierungen zuständig sei. Der Japaner verstand nur, dass er keinen Platz bekäme. Das war dem Franzosen wiederum peinlich und er versuchte dem Japaner mit Händen und Füßen die Situation zu erklären, bis er ihn einfach mit Gesten einlud, neben ihm Platz zu nehmen. Der Japaner strahlte, nahm Platz und fischte ein Übersetzungsgerät hervor, legte diese auf den Tisch, sprach in seiner Landessprache in das Gerät und dieses gab die Übersetzung auf französisch wieder. Die Stimme war die einer geduldigen Japanerin. Nach anfänglichem vertraut werden des Franzosen mit dem Gerät dauerte es nicht sehr lange und die beiden führten eine heitere Unterhaltung. Lautes Lachen, wenn die eine oder andere Antwort dazu Anlass gab, war die Folge. Die Partnerin des Franzosen fühlte sich deplatziert.
Dann kam es zur Bestellung bei der Kellnerin. Der Franzose gab die Menüreihenfolge in das Gerät ein. Die Dolmetscherin gab ihr Bestes, doch der Japaner konnte nicht wirklich etwas damit anfangen. Die Kellnerin wurde zunehmend ungeduldiger. Der Franzose fragte den Japaner via Dolmetscherin, was er gerne essen würde. „Chicken and lice“, meinte dieser und hielt seine mitgebrachten Stäbchen in die Höhe. Das verstand komischerweise das ganze Umfeld und begann zu lachen. Obwohl bekannt ist, dass die Japaner kein R aussprechen können, ist es doch witzig es zu hören. Die Kellnerin nickte und verschwand.
Nach einiger Zeit kam sie wieder mit einem Teller auf dem sich das ganz normale Menü befand: Karfiolpürree und Lammgulasch. Was anderes gab es angeblich nicht mehr. Der Japaner wollte zumindest wissen, was er da zu sich nimmt und imitierte das Huhn durch Flügelschlag und Geräusche. Die Kellnerin verneinte, dann zeigte er mit zwei Fingern Kühhörner an, der Tisch verneinte, dann versuchte er es mit einer plattgedrückten Nase und Grunzgeräuschen, das gesamte Umfeld lachte. Irgendwie schaffte die Dolmetscherin aus dem Gerät die verzweifelten Versuche des Franzosen Ziegengulasch zu übersetzen oder aber der Japaner resignierte und kostete einfach das Dargebotene. Es schien ihm zu schmecken, denn er schaufelte mit seinen Stäbchen die Speisen in den Mund.
Die Partnerin des Franzosen brachte sich bald darauf auch in das Dolmetschgespräch ein und die drei lachten immer wieder hellauf auf und hatten einen vergnüglichen Abend. Wie auch wir vom hinhören und zuschauen.
Heute geht’s dann nach dem spärlichen Frühstück (altes Baguette, weil der Bäcker nicht lieferte), Honig, Marmelade, Butter und Kaffee, los. Anfänglich ist es noch sehr kalt, doch wir bekommen heute noch 17 Grad.
Zuerst das übliche Bergauf und Bergab, gepaart mit Tempelhüpfen zwischen den Gatschlacken und den unvermeidbaren Gemsensteigen, die einmal rauf, das andere mal wieder runter zu bewältigen sind.
Zwischendurch eine Gedenkstätte an einen Pilger, der es nicht geschafft hatte an sein Ziel zu kommen.
Irgendwo machen wir halt und futtern unsere Powerriegel. Viele Dörfer haben offensichtlich in den letzten Jahren dazu gelernt und stellen Trinkwasserentnahmen, Rastplätze und WC’s zur Verfügung. 468.000 Pilger wanderten 2022 auf dem Jakobsweg. Das sind fast 1.300 am Tag auf den Einzeletappen. Im Sommer weitaus mehr, im Winter weitaus weniger. Dazu kommen noch die übrigen Wandertouristen. Jeder kann sich gerne ausmalen, was passiert, wenn es keine WC’s und Mülleimer, etc. gibt. Manche meinen, dass am Jakobsweg eine opulente Flora und Fauna genau aus diesem Grund entstanden ist…
Wir erreichen Conques, ein herrliches mittelalterliches Städtchen:
Selbstverständlich mit großem Dom.
Und natürlich der Pilgerbezug.
Nach einer Getränkepause geht es wieder raus aus dem Städtchen…
…runter zur Brücke.
Jetzt kommt wieder ein furchtbarer Anstieg auf der anderen Flussseite. Fast 400 Höhenmeter müssen auf 6 km erklommen werden. Teils mit Steigungen von 20%. Dazwischen noch ein Blick während einer Verschnaufpause, zurück auf Conques.
Unser Ziel ist Noailhac, am höchsten Punkt des Berges. Selbstverständlich nicht nur mit unserer Mehrbettzimmerherberge (zum Glück nur zu zweit im Raum) ohne Heizung, sondern eh klar, mit einer Kirche. Ausnahmsweise mit einem Holzaltar.
Ich habe hochgerechnet. Bis zum Ziel in Santiago de Compostela werden wir so 5 – 600 Kirchen und Kapellen besucht haben…
Das Positive des Tages: Unterm Strich – Alles Positiv. Morgen werden wir wieder länger unterwegs sein, denn wir möchten die nächste Stadt mit Hotel erreichen.