Heute ging es schon um 6.30 los, weil da eine Boulangerie aufmachen sollte, wo wir gedachten unser Frühstück zu uns zu nehmen. War nichts. Also ohne Verpflegung in den Tag hinein. Tag ist gut gesagt, wenn erst um 7.09 die Sonne aufgeht. Also noch mit Stirnlampe rein in den finsteren Wald. Obwohl es bereits +2 Grad hat, kommt es uns weitaus kälter vor, als gestern, wo es in der Früh noch Minusgrade hatte.
Gestern haben wir noch um die heutige Route gefeilscht und uns letztendlich richtigerweise für den schweren Anstieg zu Beginn entschieden. War auch zeitweise wirklich heavy auf einer Art Trialstrecke die Hänge hinauf zu klettern. Bei Regen müssten wir das nicht haben, bemerkten wir beide.
Obiger Weg gehört zu den gemäßigten Wegen. Trotzdem rutschte ich mehrmals aus, da oftmals die Steine zu rund sind und sich leicht wegtreten lassen. Alles in allem war der Weg heute sehr schön. Zumeist ging es durch Föhren- und Eichenwälder, in völliger Ruhe. Dazwischen gab es ein paar Bauerngehöfte, erbaut aus Stein, was typisch für die Landschaft in der Region ist und ein paar Weiden mit Ziegen, Schafen, Kühen oder Pferden.
Unbemerkt kann man keines dieser Dörfer passieren, denn beinahe jedes Haus hat einen Hund im Vorgarten und ich habe den Eindruck, dass jeder fünfte sich mit Hundezucht als Nebenerwerb beschäftigt.
In einem Wald, bei einer Weggabelung haben wir eine besondere Servicestelle für Wanderer gefunden. Ist doch nett, wie man sich um die Pilger bemüht:
Langsam wird es wieder flacher und weniger anstrengend.
Wir kommen an Polignac vorbei und lehnen den Vorschlag der Wanderapp ab, die Burg zu umrunden. Wir wollen keine unnötigen Höhenmeter mehr einsammeln.
Die Gegend ist mit Vulkankegel reichlich bedacht, haben jedoch keinen Krater. Oftmals wurden Burgen und Befestigungsanlagen auf die Spitzen der 12 – 14 Millionen Jahre alten Kegel gebaut. In den Niederungen hat man auch Mastodonskelette ausgegraben, die zu der Zeit noch hier im feuchtwarmen Klima lebten. Die Familie Polignac war im 11. Jahrhundert eine mächtige Familie, die auf mehreren Hektar Land eine Befestigungsanlage errichten ließ und von der Zeit an, bis zur französischen Revolution herrschte.
Noch die letzte Steigung für heute überwunden und wir sehen ins Talbecken von Le Puy-en-Velay. Die Vulkankegel samt Kirche schauen eindrucksvoll aus. Doch davon morgen noch mehr. Jetzt geht es vorerst einmal ins Hotel in Bahnhofsnähe.
Nach einer Dusche und einem Nickerchen möchten wir etwas essen gehen. Trotz der Beteuerungen einzelner Lokale auf Google Maps, bietet niemand vor 19 Uhr eine Essensmöglichkeit an – außer natürlich den Takeaway Fastfood Lokalen. Also entschließen wir uns die Kathedrale zu besichtigen. In Le Puy gibt es schon seit dem 4. Jahrhundert einen Bischofssitz.
Diese Kathedrale stammt aus dem 12.Jahrhundert, gehört zum Weltkulturerbe des Jakobsweges und sitzt ebenfalls auf einem Vulkankegel. Sie ist eine Basilika minor, das Langhaus ist romanisch und dreischiffig, das Portal aus Zedernholz.
Über dem Altar befindet sich die schwarze Madonna, die einst ein ägyptischer Sultan dem Bischof geschenkt haben soll. Die Madonna stellt daher wohl auch nicht Maria, sondern die ägyptische Göttin Isis dar. Aber wer will denn auf einmal kleinlich sein, wenn man sieht wie wunderbar Integration sein kann.
Wir haben jeder noch einen weiteren Pilgerpass in einem Souveniershop in der Kirche gelöst, weil bei unserem keine weiteren Stempel mehr rein passen. In diesem Kirchenshop bekommt man von der Jakobsmuschel über Buchmaterial bis zu diversen Wanderstäben und sonstigen kitschigen Reiseandenken alles, was der Pilger vielleicht als zusätzlichen Ballast mit sich herumtragen möchte, selbstverständlich zu christlichen Preisen.
Wir haben noch einen ausgezeichneten Kaffee getrunken, bis es Zeit wurde für den zweiten Anlauf Essen zu gehen.
Das Positive des Tages: Wir haben für morgen einen Erholungstag eingeplant, um Pflaster- und sonstige Vorräte aufzufüllen. Die beste Ehefrau von allen meinte, für sie beginnt der Jakobsweg erst jetzt so richtig. Das bisher wäre nur ein Vorspiel gewesen.