Wir brechen im Morgengrauen auf, denn Frühstück gibt es heute keines. Wir wollten auch in die nächste Boulangerie gehen, die Kaffee und Sitzplätze hat, doch auf unserer Route hatte keine offen. 25 km stehen heute auf dem Programm und wegen dem Wetter sind wir uns nicht einig. Meine App meint, dass es heute nicht regnen wird. Die beste Ehefrau von allen beharrt auf Regenschauern so gegen elf Uhr herum. Wir werden sehen.
Nachdem wir auch nicht vom geplanten Startpunkt weggehen, gibt es Differenzen mit der Kilometerzählung. Lange Rede kurzer Sinn: Die beste Ehefrau von allen wähnte sich hintergangen, um 4 bis 5 Kilometer, die sie jetzt mehr leisten solle, nur weil ich nicht gleich sage, dass wir heute an die dreißig Kilometer gehen. Alle Erklärungen meinerseits halfen nicht. Wie auch, wenn sie es immer schon gewusst hat. Zu dem Donnerwetter ihrerseits kam dann tatsächlich auch ein Regenschauer. Sie hatte natürlich Recht gehabt – in dieser Hinsicht zumindest.
Bei einem verspäteten Frühstücksstopp in einem Einkaufszentrum in St. Etienne löschte ich aus meiner Wanderapp ein paar Wegpunkte vom Start, die derzeit die falsche Berechnung der noch zu wandernden Kilometer ergaben. Leider wurde damit auch die Routenplanung unterbrochen und zeigte nur mehr ab einem Punkt am anderen Ende von St. Etienne bis Firminy die Routenführung an. War ja auch kein Problem, freihändig durch die Stadt zu navigieren, um zum Anschlusspunkt zu kommen. Für mich zumindest.
Heute ist jedoch Tag 3 unseres Restarts. Der fleißige Leser wird schon ahnen, was das heißt. Heute gibt es die Rumpelstielzchenvorführung. „Warum müssen wir da rauf gehen? Meine Füße tun mir beim Bergaufgehen noch mehr weh als sonst auch. Warum tue ich mir das alles an? Ich mag nicht mehr. Du kannst mich tragen. Ich will nach Hause. Ich sage dir, du kriegst für jeden Meter über 25 km einen Klapps….“
Meine ganzen McGyver Bonuspunkte, die ich gestern gesammelt hatte, als ich zwei folierte Tischkärtchen im Restaurant einsteckte, um Elfis Reibungspunkte bei den Fersen zu eliminieren, indem sie die Karten zwischen Schuh und Socken stecken sollte, was auch wunderbar half, waren dahin. Heute reichte das nicht mal mehr für mildernde Umstände.
Wie auch immer, wir schafften es nach Firminy, unserer heutige Etappe in 24,8 km. Darauf hingewiesen, meinte sie: „Na gut, ich verzeihe dir…“
Firminy ist eine Kleinstadt von 17.000 Einwohnern und nur durch Le Corbusier bekannt geworden. Ihr kennt ihn sicher, den Architekten und Theoretiker, der den Brutalismus entwickelte. (Wobei heute Vormittag hätte ich auf jemand anderen getippt.) Brutalismus kommt nicht, wie man meinen könnte von der Grobschlächtigkeit der Architektur, sondern von „béton brut“, was roher Beton oder Sichtbeton bedeutet. In Firminy hat Le Corbusier die einzige städtebauliche Planung in Europa umgesetzt: Die Kirche, das Stadion, das Jugend- und Kulturzentrum und einen Wohnbau. 17 der Bauten von Le Corbusier weltweit gehören heute zum UNESCO Weltkulturerbe.
Das Positive des Tages: Wir haben für morgen doch noch eine Privatunterkunft bekommen, sogar mit Verpflegung, allerdings sind es morgen mehr als 30 km, die wir gehen müssen…
Oh je, das mit der Rumpelstielzchenvorführung kenn ich von mir selbst 🫣🫣🫣.