1349 brach in Wien die Pest aus. Sie griff rasch um sich und entstellte die Menschen ganz grässlich. Da man kein Mittel dagegen wusste, mussten die Leute, die von der Krankheit befallen waren, in ein Siechenhaus in einen Vorort der Stadt.
Das war im heutigen 4. Bezirk. Unmittelbar neben dem Siechenhaus stand eine Kapelle und ein schöner großer Lindenbaum. Dort soll ein ruheloser Geist sein Unwesen getrieben haben, der nachts seine Klageweisen aus der Baumkrone ertönen ließ. Bald traute sich bei Einbruch der Dunkelheit niemand mehr in die Gegend und die Kranken beschwerten sich über die nächtliche Ruhestörung. Daraufhin baten sie ihren Pfarrer er möge sie mit Gebeten und Beschwörungen von der „Klag“, also dem Geist befreien.
Mit Weihwasser und Kreuz bewaffnet, zog er mit einer mutigen Bürgerschar zu diesem klagenden Baum. Sie traten in der Dunkelheit unter die Blattkrone und der Priester sprach eine Beschwörungsformel. Der Klageton, den sie zuvor vernommen hatten, verstummte augenblicklich. Stattdessen tauchte eine gespenstische, dunkle Gestalt neben dem Priester auf und verschwand mit ihm in der Dunkelheit.
Die Leute, die auf seine Rückkehr warteten, glaubten, die unheimliche Gestalt hätte den Priester entführt. Am nächsten Tag erschien der Priester und erzählte ihnen, dass nicht ein Gespenst die Klageweisen von sich gegeben hatte, sondern ein Minnesänger hatte unter dem Baum gelegen. Dieser hatte die Klagelieder über die herrschende Seuche über die Stadt ertönen lassen.
Doch die abergläubischen Leute glaubten den Worten des Priesters nicht recht und gaben deshalb dem Pflegeheim den Namen „Zum Klagbaum“. Noch heute erinnert die Klagbaumgasse im 4. Bezirk, an die heimlichen Weisen des klagenden Baumes.