Ich habe bereits über die Judenverfolgung im Laufe der Jahrhunderte berichtet. Einen kleinen Beitrag zum jüdischen Leben möchte ich jedoch noch schreiben. Es ist allgemein bekannt, dass es den gläubigen Juden am Sabbat verboten ist, Gegenstände außerhalb der eigenen Wohnung zu bewegen oder zu tragen. Und da ist es auch nicht erlaubt, den Kinderwagen zu schieben oder eine Tasche zu tragen. Da ist die Thora kompromisslos.
Nun, wie überall, gibt es findige Leute, die ein Gesetz so auslegen und hinbiegen, dass es wieder passt. Es ist nämlich erlaubt, das Gebiet der eigenen Wohnung ein wenig auszudehnen, beispielsweise kann das Gebiet der eigenen Wohnung auch den Innenhof oder mehrere Häuser einbeziehen. Das Gebiet muss von Mauern oder Zäunen umgeben sein und gemeinsam genutzt werden. Das geschieht dadurch, dass man ein Lebensmittel mit allen Bewohnern teilt, zumeist Brot. Das nennt man Eruv.
Im Laufe der Jahrhunderte wurden diese privaten Wohngebiete immer größer. Ganze Stadtteile wurden zu diesen Privatgebieten erklärt. Es muss das Gebiet jedoch immer von einer geschlossenen Begrenzung umgeben sein. Das geht so weit, dass es nicht mal mehr eine Stadtmauer oder ein Zaun sein muss. Es reicht auch ein Seil oder ein Draht aus, der um das Gebiet gezogen wird. Für nicht Eingeweihte ist diese Grenze fast schon unsichtbar und wirkt wie eine symbolische Grenze.
Auch in Wien gibt es jetzt wieder (wie vor der nationalsozialistischen Zeit) einen 25 km langen Eruv. Im Wesentlichen umfasst es die Areale der inneren Bezirke bis zur Donau. Fast zehn Jahre dauerte die Planung des Gebietes, indem man schon vorhandene Mauern, Zäune, Drähte (z.B. Stromkabel) oder natürliche Grenzen, wie beispielsweise Flüsse in die Planung einbezog. Die Schwierigkeit lag insbesondere darin, dass es auch bei den Juden unterschiedliche Strömungen und Auslegungen gibt, die es unter eine Kippa zu bringen galt. Was ist eine Grenze, was nicht?
Nichtsdestotrotz blieben zirka fünf Kilometer Eruv-Grenze übrig, die neu „eingezäunt“ werden mussten, beispielsweise durch Spannen von Draht an Masten in einigen Metern Höhe. Man wollte also zirka fünfzig Masten aufstellen und bespannen. Die Kosten hätten sich auf eine Million Euro belaufen, die durch Spenden aufgebracht werden sollten. Letztendlich wurden doch keine neuen Baumaßnahmen gesetzt, denn man fand, dass bestehende Straßenbahn-Oberleitungen, etc. ausreichten, um einen lückenlosen Abschluss zu gewährleisten. Das bisher gesammelte Geld wurde also nicht in das Bauvorhaben gesteckt, sondern für Sachverständige ausgegeben…
Die Kultusgemeinde kontrolliert seitdem regelmäßig, ob der Eruv noch intakt ist, denn nur ein intakter und unbeschädigter Eruv gilt als koscher. Das Ergebnis der Überprüfung könnt ihr im Internet verfolgen: www.eruv.at
Außerhalb Israels gibt es weltweit so um die einhundertfünfzig Eruvin.