Nach Ulm und Köln ist der Südturm von St. Stephan der dritthöchste historische Kirchturm Europas. Er weist einen quadratischen Grundriss, der ab dem ersten Drittel in ein Achteck übergeht, auf.
An der Spitze prangt ein von einem Doppeladler getragenes Doppelkreuz. Ursprünglich waren Sonne und Halbmond montiert, als Zeichen für die geistliche und weltliche Macht. 1529, nach der ersten Türkenbelagerung, wurde verlangt, die Spitze zu ersetzen, weil sie zu sehr an die Türken erinnerte. Es dauerte jedoch bis 1686, bis das Verlangen umgesetzt wurde.
2014 wurde an der Westfassade des Turms eine Büste von Carl Manner angebracht. Die Firma war schon seit Gründung ein fester Unterstützer des Dombaus. Die berühmten Schnitten zeigen sich auch mit dem Stephansdom als Markenzeichen. 40 Jahre lang hat ein Mitarbeiter der Dombauhütte in einem Overall mit den Mannerfarben am Dom gearbeitet, auf Kosten von Manner.
Eine besondere Bewandtnis hat es auch mit der Türmerstube in 72 m Höhe. Sie diente als Sicherheitseinrichtung. Der Türmer war ein Mitglied der Feuerwache und hatte die Aufgabe, regelmäßig Ausschau zu halten, ob es irgendwo in der Stadt brannte oder ob gar feindliche Heere im Anmarsch waren. Im Brandfalle steckte er eine Fahne in der Richtung aus dem Fenster, aus der er Rauchschwaden sah. Mit einem Sprachrohr von mehr als 1,3 m konnte er nach unten rufen. Es gab aber auch eine Rohrpost hinunter zum Fuße des Turms, wo jemand die Feuerwehr alarmieren konnte.
Mit Ende 1955 wurde dieser Job gestrichen. Heute sitzt ein Reiseandenkenverkäufer in der Stube und sieht nach dem Rechten. Und da kommt mein Erlebnis zum Tragen. Vor vielleicht 25 Jahren veranstaltete ich eine Käpt´n Dros Rätselralley in Wien mit verschiedensten Aufgabenstellungen. Eine davon war, in der Türmerstube die nun folgende Sage vom Kegler von St. Stephan vorzutragen:
Über der Türmerstube von St. Stephan befand sich eine Kegelbahn. Da der Raum klein war, musste man sich verkehrt zu den Kegeln aufstellen und zwischen den Beinen hindurchzukegeln. Meister Kunrat, ein Schindelmacher und ewiger Trunkenbold, traf immer alle Neune. Eines Abends kämpfte er sich wieder sturzbetrunken die Stiegen hinauf, zur Türmerstube. Fluchend, nachdem er sah, dass er allein kegeln musste, ergriff er sich die Kugel.
Plötzlich hatte er eine Hand auf seiner Schulter. Ein hagerer Fremder stand vor ihm. „Was willst du? Etwa mit mir Kegeln? Ich treffe bei jedem Wurf alle Neune. Das bringst du nicht zustande.„
„Ich halte die Wette,“ meinte der Fremde.
Meister Kunrat nahm Aufstellung, rollte die Kugel mit dem Rücken zur Bahn und traf prompt alle Neune. Danach stellte er die Kegel auf und warf unbemerkt einen Kegel aus dem Fenster der Stube.
„So haben wir nicht gewettet,“ donnerte der Fremde und mit schaudern sah Kunrat das Knochengerüst unter dem Umhang hervorblitzen. „ich bin der Tod und treffe alle Neune, auch wenn es nur acht sind.„
Damit warf er die Kugel in die Kegel, die wild durcheinanderpurzelten. Als neunter fiel Kunrat tot um. Noch lange Zeit danach musste jeder Besucher der Kegelbahn einen Schub tun und ein Vater unser, für die arme Seele beten.
Nachdem die beste Ehefrau von allen mit ihrem Team dort die Sage vorlas, kam der Andenkenverkäufer dazu. Er meinte, er könne die Gruppe nicht nach oben zur Kegelbahn lassen, aber er habe ihnen die Kugel heruntergebracht, damit die Kids sie sehen könnten.
Soweit zur historischen Basis.